SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Es ist ein Wunder. So sagt man, wenn etwas Unerklärliches, Unbegreifliches geschieht.
Schon im normalen Alltag kann man Wunder erleben, kleine und große Fügungen, bei denen etwas Gutes herauskommt. Sie sprengen unseren Horizont, können verunsichern und beglücken. Und wenn die Bibel von einem Wunder erzählt, dann steht am Ende das Lob oder der Jubel, manchmal auch das Entsetzen. Denn Gottes Möglichkeiten sind unbegrenzt.

Auch das Weihnachtsfest beruht auf einem Wunder. Es ist ein ganz besonderes und deshalb auch besonders umstrittenen Wunder. Da ist Maria, ein jüdisches Mädchen. Sie ist vielleicht 16 Jahre alt, als sie die Stimme eines Engels hört: „Sei gegrüßt, du Begnadete. Der Herr ist mit dir! Siehe, Du wirst schwanger werden und ein Kind zur Welt bringen, und du sollst ihm den Namen Jesus geben.“ Ein spannendes Gespräch entwickelt sich. Und auf ihre besorgte Frage, wie sie denn ohne Mann schwanger werden könne, antwortet der Bote: „Bei Gott ist kein Ding unmöglich.“

Ja, es ist ein Wunder, was hier angekündigt wird und dann auch geschieht. Ich denke dabei allerdings weniger an die Vorstellung einer jungfräulichen Empfängnis. Das eigentliche Wunder ist viel größer. Maria ist – menschlich gesehen – ein „Nichts“. Sie hat von ihrem Leben nicht viel zu erwarten. Sie wird von ihrem Verlobten in sein Haus geholt werden, und dann wird sie Kinder zur Welt bringen und aufziehen. Die Lebenserwartung einer Frau lag damals bei 30 Jahren. Maria steht nicht für das Heilige, sondern für das Zufällige, für Schmerzen, für Trauer und Leid. Und ausgerechnet diese Frau, dieses „Nichts“ erwählt Gott, um etwas unvorstellbar Großes zu tun.
Es scheint ein Prinzip seines Handelns zu sein.
Aus dem Nichts hat er die Welt geschaffen.
Aus dem „Nichts“ kommt der Erlöser, der Beginn der neuen Schöpfung.
Und aus dem Nichts, aus den Zufällen meiner Existenz möchte er ein neues Leben formen.

Eigentlich sind alle Menschen wie Maria. Nüchtern betrachtet, haben wir ja alle nicht sehr viel zu erwarten, wir leben alle im Schatten des Nichts. Doch bei Gott ist kein Ding unmöglich. Furcht verwandelt er in Zuversicht, Resignation in freudige Erwartung, Unversöhnlichkeit in Liebe. Wo Menschen von sich wenig und von ihm alles erwarten, da geschieht Unerwartetes und Unglaubliches.

So kommt Gott zur Welt in Jesus Christus.
Neues Leben schenkt er den Geplagten, den Verzagten, den Nichtsen dieser Welt.
Für mich ist er das größte aller denkbaren Wunder.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=2829
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