SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Manche Leute sind wie Stehaufmännchen. Es kann kommen, was will – sie bleiben nicht liegen, zerbrechen nicht am Leben, sondern stehen auf. Sie verfügen über eine Fähigkeit, die man „Resilienz“ nennt. Das Wort kommt aus dem Lateinischen, resilire bedeutet: zurückspringen.

Menschen mit Resilienz-Fähigkeit sind wie Stahlfedern, die in ihre ursprüngliche Form zurückspringen, wenn sie gedehnt oder gepresst werden. Forscher haben sich mit der Frage beschäftigt, was Menschen befähigt, so widerstandsfähig zu sein. Sie haben dabei Schlüsselfaktoren gefunden.

Menschliche Stehaufmännchen sind optimistisch, akzeptieren, dass das Leben manchmal nicht leicht ist, sind aktiv, übernehmen Verantwortung und gestalten ihre Zukunft. Manche Forscher zählen auch die Religion als weiteren Schlüsselfaktor dazu. Ich finde allerdings, das hängt davon ab, wie man Religion lebt und versteht. Schließlich hat es in allen Religionen Richtungen gegeben, die Menschen eher entmündigen, so dass die Betroffenen das eigenständige lösungsorientierte Denken komplett an der Kirchen-, Moschee- oder Tempeltür abgeben.

Für atheistische Weltanschauungen gilt übrigens das Gleiche. Bekanntlich sind ja nicht alle Kommunisten optimistische, zukunftsorientierte Lebenskünstler. Und nicht jeder Atheist ist fröhlich und bereit, auch Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen.

Trotz vieler Gegenbeispiele: In der Tat empfinde ich meinen Glauben als großen Resilienzfaktor, ja als grundlegende, lebensfördernde Fähigkeit, die mir hilft, mit belastenden Situationen klarzukommen. Ich glaube, das liegt daran, dass mein Glaube mich ermutigt, nicht am eigenen Unglück oder am eigenen Scheitern festzukleben.

Jeder Mensch ist mehr als seine Lebensleistung oder sein Versagen. Christlicher Glaube spricht dem Unglück oder dem Scheitern einfach das Recht ab, die Deutungshoheit über menschliches Leben zu haben. Ich finde das tröstlich und ermutigend und buchstäblich aufrichtend. Gerade so kann ich dann auch andere Menschen in den Blick nehmen und entdecken, wie sie mir in Glück und Leid zur Seite stehen.

Die Forschung erklärt mir, dass Vernetzung ein weiterer wichtiger Resilienzfaktor ist. Das bestätigt auch meine Lebenserfahrung, ob in der Familie oder in der Kirchengemeinde. Ich finde es einfach schön und tröstlich, Freude und Leid mit Menschen teilen zu dürfen. Kein Mensch ist ganz allein, auch wenn er sich manchmal so empfinden mag. Menschen können einander helfen, wieder ins Leben zurückzuspringen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28272
weiterlesen...