Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wurstessen, öffentlich noch dazu und in der Fastenzeit, das war ein Skandal. Heute vor 497 Jahren kam es in Zürich zu einer denkwürdigen Mahlzeit. Im Hause des Buchdruckers Christoph Froschauer aßen Männer Würste. Und das im Beisein des Pfarrers Huldrych Zwingli. Der hat zwar selbst nicht mitgegessen, aber er hat die Männer auch nicht gehindert. Und obwohl es zu dieser Zeit noch keine Paparazzi gegeben hat, die jedes Wurstessen eines Prominenten gleich dokumentiert und interpretiert hätten, ist das doch schon damals eine Schlagzeile gewesen. Ein Skandal, der weit über die Grenzen Zürichs hinaus gewirkt hat. Heute sagt man, das Wurstessen damals ist die Geburtsstunde der reformierten Kirche gewesen. Die Männer wollten ein Zeichen setzen: was hilft denn alles Fasten, wenn der Glauben fehlt? Es ging ihnen um Glaubwürdigkeit und die, da waren sie sich sicher, hing nicht am Fasten. Sondern allein daran sich nach Jesus und dem auszurichten, was er getan hat.

Am selben Tag, ziemlich weit entfernt, hat ein Mann eine Predigt gehalten. Martin Luther ist das gewesen. Gerade eben hatte er sein Versteck auf der Wartburg verlassen und war gleich auf die Kanzel gestiegen in Wittenberg. Er hatte sich geärgert über seine Wittenberger Mitstreiter. Denn als er weg war, hatten die alles Hals über Kopf geändert. Gottesdienst in deutscher Sprache. Abendmahl mit Wein und Brot. Eigentlich alles Sachen, die Luther auch gut fand. Aber, so Luther, was hilft denn alle äußerliche Neuerung, wenn der Glauben fehlt. Erst müssten die Menschen verstehen worum es geht und dann könne man was ändern. Davon war er überzeugt. Nicht Äußerlichkeiten zählen. Sondern allein was Jesus gesagt hat und sich nach dem auszurichten, was er getan hat.

Obwohl die beiden Herren in Zürich und Wittenberg sonst nicht oft einer Meinung gewesen sind: hier waren sie sich einig. Auf den Glauben kommt es an. Und der zeigt sich nicht in irgendetwas Äußerlichem. Ich finde das ist eine wunderbare evangelische Einsicht: es kommt nicht auf Äußerlichkeiten an. Für Jesus war wichtig wie Menschen mit einander umgegangen sind. Liebevoll und rücksichtsvoll – vor allem mit den Schwächsten. So sollte sich der Glauben zeigen – und zwar nicht nur in der Fastenzeit.  

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28257
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