SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Aber ganz schnell kommen in unserem Gespräch in einer Gruppe von Ehrenamtliche die Antworten: wenn etwas gelungen ist- bei einem Treffen mit Freunden – wenn Lob und Anerkennung ausgesprochen werden – schöne Landschaften auf Reisen – Besuch im Stadion und mein Verein gewinnt.

Und jede von uns konnte ein Beispiel beitragen, wann sie sich zum letzten Mal von Herzen gefreut hatte.

Freude ist ein starkes Gefühl und eine tiefe Erfahrung. Sie ist lebensnotwendig.

Aber jeder von uns hat auch Zeiten, in denen die Freude ganz weit weg scheint. Zeiten, die von Sorge geprägt sind, Sorge um die Gesundheit, Sorge um die Familie, finanzielle Sorgen. Da tritt die Freude oft in den Hintergrund.

Wo soll dann die Freude herkommen, wenn sie nicht nur aufgesetzt ist?

Der Apostel Paulus schreibt in seinem Brief an die Gemeinde in Philippi:

Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! (Phil 4, 4-6)

Als Paulus das schreibt sitzt er schon seit Jahren im Gefängnis und muss um sein Leben fürchten. Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Das schreibt er, als es ihm eigentlich so richtig schlecht geht.

Diese tiefe Freude, zu der Paulus dort aufruft finden wir z.B. auch bei Dietrich Bonhoeffer in seinen Briefen aus der Haft. Bonhoeffer war ein evangelischer Theologe, der unter den Nazis verfolgt wurde und lange in Haft saß. Schließlich wurde er im Konzentrationslager Flossenbürg umgebracht. Aus dieser Zeit sind Briefe, besonders an seine Verlobte, aber auch andere Personen und Gedichte erhalten. In einem Gedicht heißt es:

„Wer bin ich? Sie sagen mir oft, ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest…
Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
Wer bin ich?
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!“*  

Dietrich Boenhoeffer kann mit einer großen Gelassenheit, ja fast mit Freude, seinen Zustand der Gefangenschaft und Unfreiheit ertragen.

Diese Freude und die Aufforderung und Ermunterung dazu kommen aus einem tiefen Vertrauen, aus dem Vertrauen auf Jesus Christus, aus dem Vertrauen ins Leben.

Menschen, die einen tiefe Verbundenheit zu Jesus Christus haben, werden frei und unabhängig von den äußeren Gegebenheiten. Diese Erfahrung verbindet Paulus mit Bonhoeffer. Beide fühlen sich auch in der Unfreiheit gehalten und getragen von Gott.

Um Freude wahrzunehmen, bedarf es manchmal erst der Erfahrung des Mangels.

Wenn ich zum Beispiel krank bin, freut mich der Besuch einer Freundin besonders. Wenn ich in einem schwierigen Gespräch spüren durfte: hier hat mich Gott begleitet – da war ich nicht allein.

Wenn ich am Ende eines anstrengenden Tages zurückschaue und die kleinen Lichtblicke darin entdecken kann…

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28208
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