SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Kürzlich habe ich Post bekommen, über die ich mich ganz besonders gefreut habe: einen handgeschriebenen Brief.

Ich bekomme viel Post, meistens berufliches. Und privat kommen jede Menge Nachrichten auf dem Handy oder im Computer. Aber Papierpost auf schönem Papier, im gefütterten Umschlag - und nicht nur eine Einladung zu einer Feier sondern richtig was zu lesen - das ist etwas Außergewöhnliches.

Ich habe mich hingesetzt, mir eine Tasse Tee eingeschenkt und habe mir Zeit genommen, den Brief in Ruhe zu lesen. Fast eine kleine Zeremonie, ein kleines Fest mitten am Tag. Der Inhalt war genauso wie der erste Eindruck: Nichts, was man nur so schnell mal hinschreibt. Die Freundin hatte sich auch für’s Schreiben viel Zeit genommen. Das hat man schon an der Schrift gesehen: Gleichmäßige Schriftzüge, mit einem Tintenfüller geschrieben. Obwohl er mit der Hand geschrieben war, war er leicht zu lesen.

Meine Freundin hätte vermutlich auch die paar Seiten mit dem Computer schreiben können. Hat sie aber nicht. Und die Handschrift hat mir sehr viel besser gefallen als Buchstaben aus dem Drucker.

Ich habe viel von ihr erfahren aus dem Brief, aber auch eine ganze Menge über mich selbst. Zum Beispiel wie gut es mir tut, wenn jemand nach mir fragt und nicht nur von sich selbst erzählt. Auch in einem Brief, -- wo es ja eine Weile dauern wird, bis ich antworte. Diesem Brief konnte man ansehen, dass sich meine Freundin beim Schreiben vorgestellt hat, wie ich mich über den Brief freue und beim Lesen schon anfange, Antworten zu überlegen.

Als Christen haben wir eine ganze Menge Erfahrung mit Briefen. In der Bibel im neuen Testament sind viele wichtige Gedanken über unseren Glauben in Briefen überliefert. Das Christentum ist, so könnte man sagen, eine Briefreligion.

Die meisten dieser Briefe in der Bibel stammen vom Apostel Paulus. Der hat das Briefschreiben selbst einmal als Vergleich benutzt.
„Ihr seid ein Brief Christi“ (2. Kor 3,3) schreibt er an die Christen in Korinth. Und meint damit, dass die Menschen, die an Jesus Christus glauben, selbst wie ein Brief sind. Wie ein Brief eben, der anderen mitteilt, wie viel Jesus an den Menschen liegt. Etwas, das den anderen ganz persönlich und ganz direkt erreicht. Ein Brief Christi sein, -- ich finde, das ist ein guter Auftrag für uns Christen: Dass wir uns Zeit nehmen für andere, dass wir aufmerksam sind und jemandem gut tun. Zum Beispiel, indem ich mich mir Zeit nehme für jemand andern und vielleicht mit sehr viel Aufmerksamkeit für ihn einen Brief schreibe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28196
weiterlesen...