SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Vor kurzem ging in Panama, in Mittelamerika, der große Weltjugendtag zu Ende. Auch Papst Franziskus hat an diesem Treffen teilgenommen und mit ihm Jugendliche aus allen Teilen der Welt. In einer bewegenden Ansprache  hat der Papst deutliche und ermutigende Worte gefunden. Für ihn ist es ein großartiges Geschenk, dass verschiedene Kulturen und Völker, verschiedene Sprachen und Mentalitäten zusammen kommen. Jedes der Herkunftsländer hat eine andere Geschichte und andere Verhältnisse. Also viele Unterschiede und Dinge die trennen können. Aber nichts davon hat die jungen Menschen daran gehindert zusammenzukommen. Und dann sagte er wörtlich: 

„Mit euren Gesten und eurem Verhalten, mit euren Blicken, Wünschen und vor allem mit eurer Sensibilität widerlegt und entschärft ihr all jene Reden, die darauf bedacht sind, Spaltung hervorzurufen und die mit aller Kraft diejenigen ausschließen und vertreiben wollen, die „nicht wie wir sind“. Der Papst lobt mit diesen Worten das feine Gespür der Jugendlichen, die offensichtlich  begriffen haben, dass man ganz verschieden sein und sich dennoch respektieren kann .Er sagt zu ihnen:: “Ihr zeigt uns, dass Begegnung nicht bedeutet, dass man sich verstellt, und auch nicht, dass man dasselbe denkt oder den gleichen Lebensstil pflegt, indem man dieselben Dinge tut und nachmacht, dieselbe Musik hört .Nein, das ist nicht gemeint. Die Kultur der Begegnung ist ein Aufruf und eine Einladung, mit Mut einen gemeinsamen Traum lebendig zu halten.“

Es ist so wohltuend wie dieser betagte Papst in der Begegnung mit jungen Menschen zu träumen beginnt. Er trifft den richtigen Ton und versteht seine Zuhörer und sie verstehen ihn. Er redet nicht nur über Begegnung sondern lebt sie, einfach und bescheiden. Franziskus ist ein Papst zum Anfassen. Er braucht keine Bodyguards die ihn abschirmen. Herzlich und spontan geht er auf  die Menschen Er zeigt mit seinem eigenen Beispiel was “Kultur der Begegnung“ bedeutet. Und hält damit für und mit den Jugendlichen einen Traum lebendig, der wahrscheinlich in uns allen schlummert und darauf wartet, aufgeweckt zu werden.

Gegen alle Gleichgültigkeit eine Kultur der Begegnung schaffen-darüber spreche ich heute in den SWR4-Sonntagsgedanken. Einen (anderen) Menschen irgendwo zu treffen heißt noch nicht ihm tatsächlich zu begegnen. Oft sind es nur ein paar kurze Worte, die wir wechseln oder Gespräche, die über Alltägliches gehen und an der Oberfläche bleiben. Manchmal sind es nur allzu kurze Momente, weil man in Gedanken schon anderswo ist.

Und leider geschieht es nicht selten, dass man aneinander vorbeiredet oder sich sogar übersieht.

Ich entdecke in den Geschichten, die über Jesus in der Bibel erzählt werden, einen wahrlichen Meister der Begegnung. Sie beginnen oft so: “als Jesus den Menschen sah“ Er konnte offensichtlich richtig gut sehen und das lag weniger an seinen Augen als an seinem offenen und weitsichtigen Herzen. Und er konnte hören und fühlen und jedem das Gefühl geben, dass jetzt in diesem Augenblick nichts anderes wichtig ist als diese Begegnung. Ich denke zum Beispiel an die Szene, die sich am Jakobsbrunnen abspielt. Einem Treffpunkt, wo Menschen sich gewaschen, erfrischt und miteinander gesprochen haben. Jesus  ist müde von einem langen Weg, es ist um die Mittagszeit und sehr heiß. Er, ein Jude, bittet eine samaritanische Frau am Brunnen um Wasser, schon das ist außergewöhnlich, Weil die Juden nicht mit den Samaritanern sprechen. Schon nach einem kurzen Wortwechsel geht es nicht mehr um den Durst und das Wasser, sondern um viel Tieferes. Jesus spürt dass die Frau eine große Enttäuschung mit sich herumträgt. Sie hat mit mehreren Männern zusammengelebt und ist jedes Mal in ihrer Liebe enttäuscht worden. Jetzt ist Zeit und Ort über diese Erfahrungen zu sprechen und so kommt es in einer ganz alltäglichen Szene zu einer berührenden Begegnung.

Das ist möglich, wenn zwei Menschen einander vertrauen, wenn auch Schmerzliches und Leidvolles zum Ausdruck kommen kann, wenn zwei beieinander stehen bleiben und wirklich ganz da sind. Ob es zu einer Begegnung kommt ist weniger eine Frage der Themen, über die gesprochen wird oder eine Frage der Dauer. Ich meine, entscheidender ist viel mehr, offen und aufmerksam zu sein, eben ein echtes Interesse an dem Menschen, der mir gegenüber steht.

Der Papst hat in Panama von einer Kultur der Begegnung geträumt. Und er versucht überzeugend, diesen Traum wahr werden zu lassen. Mich erinnert er an sein großes  biblisches Vorbild und an ein Wort, das die Haltung Jesu gut zusammenfasst: Ein großer spiritueller Meister hat es so beschrieben:Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der bedeutendste Mensch immer der, der dir gerade gegenübersteht, und das notwendigste Werk ist immer die Liebe. (Meister Eckhart)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28159
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