SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Abends schaue ich mit meinen beiden Töchtern das Sandmännchen. Doch bevor es losgeht, wird zuerst das Kinderzimmer aufgeräumt. Eigentlich würde das nur ein paar Minuten dauern, aber meistens diskutieren die beiden dann ausgiebig, wer welches Puzzle rausgeholt, wer auf welchem Kissen gesessen und wer mit welchem Kuscheltier gespielt hat. Denn etwas aufräumen zu müssen, mit dem sie nicht selbst gespielt haben, das fänden sie total ungerecht.

Bei solchen Gelegenheiten merke ich, dass Kinder ein unglaublich feines Gespür dafür haben, ob es irgendwo gerecht oder ungerecht zugeht. Und wenn sie etwas ungerecht finden, wird nicht lange überlegt, sondern sie haben kein Problem damit, das laut und deutlich zu sagen. Es soll überall gerecht zugehen – zu Hause, in der Schule und auf dem Spielplatz.

Weil es überall gerecht zugehen soll, haben die Vereinten Nationen 2009 den Welttag der sozialen Gerechtigkeit ins Leben gerufen. Heute ist dieser Gedenktag zum zehnten Mal. Er erinnert daran, dass Menschen nur dann friedlich zusammenleben können, wenn alle fair behandelt werden. Jeder sollte selbstbestimmt und würdevoll leben können. Doch oft geht man mit Menschen ungerecht um, weil sie wenig Geld haben, weil sie woanders herkommen, einer anderen Religion angehören oder eine Behinderung haben. Mit dem Gedenktag machen die Vereinten Nationen auf diese Menschen aufmerksam und geben ihnen eine Stimme. Gleichzeitig soll dieser Tag uns alle ermahnen, was dafür zu tun, dass es gerechter wird.

Um soziale Gerechtigkeit, um die Chance auf ein würdevolles und gutes Leben ist auch zu biblischen Zeiten gerungen worden. Dort sind es Prophetinnen und Propheten, die gegen Unrecht und Unterdrückung aufstehen und laut werden. Sie fühlen sich von Gott berufen, dort was zu sagen, wo andere ausgebeutet und schlecht behandelt werden. Mit ihrer Botschaft machen sie sich Feinde und werden manchmal selbst verfolgt. Doch sie sind davon überzeugt, dass die Menschen ihr Verhalten ändern können und so ein friedliches und gerechtes Zusammenleben möglich ist.

Ich finde, es lohnt sich, für soziale Gerechtigkeit zu kämpfen. In den großen politischen Zusammenhängen weltweit und in unserem Land genauso wie im Kleinen, in meinem beruflichen und privaten Umfeld. Es soll überall gerecht zugehen. Und deshalb halte ich die Diskussionen abends beim Aufräumen aus und höre mir an, was meine Töchter sagen. Zusammen suchen wir nach einer Lösung, die beide als gerecht empfinden. Und ich versuche echt, mir ein Beispiel an meinen Töchtern zu nehmen. So wie sie will ich mich lauter und deutlicher zu Wort melden, wenn ich irgendwas als ungerecht empfinde. Manchmal sind eben die Kleinsten auch große Prophetinnen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28149
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