SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Auch nach den Feiertagen steht eines fest: diese Zeit um Weihnachten hat viel mit Sehnsucht zu tun, mit besten Wünschen für andere und uns selbst. Das familiäre Zusammensein, die freien Tage, ein bisschen mehr Ruhe und Frieden – das lässt uns ahnen, wie es eigentlich immer sein könnte und sein sollte. Das gilt erst recht, wenn es in den Feiertagen Streit gab, Langeweile oder Frust. Gerade im Gegenbild von Enttäuschungen und Grenzen erst recht wird spürbar, wonach unsereiner sich wirklich sehnt. Weihnachten hat aber noch etwas anderes ans Licht gebracht. Ernesto Cardenal, der Mönch, Dichter und Politiker aus Nicaragua, sagt es so: „Gottes Herz findet keine Ruhe, bis die ganze Schöpfung wie der verlorene Sohn in seinen Schoß zurückgekehrt ist. Wir sind der Gegenstand einer unendlichen Sehnsucht des Vaters, und der Heilige Geist ist das Atmen dieser Sehnsucht.[Aus Liebe zu uns und aus Liebe zu Gott wurde das Wort Fleisch, um in uns den Vater zu lieben, damit Gott Gott lieben möge in Millionen von Seelen, damit Gott Gott lieben möge, in Millionen von Leben“] (Ernesto Cardenal: Wir hören schon die Musik)
Könnte man den Kern der Weihnachtsbotschaft kürzer und klarer ausdrücken, auch im Blick schon auf das Neue Jahr: „wir sind der Gegenstand einer unendlichen Sehnsucht des Vaters“. Nicht der Mensch muss sich abstrampeln und irgendwie Gott spielen, Gott kommt zum Menschen und will in ihm zur Welt kommen. Nicht wir können überall den Frieden schaffen, das war ja auch in den Weihnachtstagen spürbar. Der wichtigste Impuls dazu kommt uns immer von woanders her schon entgegen, z.B. im Mut zur Vergebung oder dem Willen zur Versöhnung. Wenn unsereiner wirklich der Adressat einer unendlichen Sehnsucht Gottes ist, dann brauchen wir uns selbst nicht zu produzieren oder erst herzustellen. Dann haben wir dieses göttliche Wohlwollen sozusagen schon im Rücken und sind von Anfang an im Aufwind. In der Bildsprache Ernesto Cardenals: „Gottes Herz findet keine Ruhe“, bis sein Projekt Schöpfung im Ganzen vollendet ist. Der Dichter erinnert an das biblische Bild vom barmherzigen Vater, der seinem verirrten Sohn entgegen rennt. Er konnte es förmlich nicht erwarten, dass er endlich heimkehrt. Dieses heiße Interesse an Wiedervereinigung und Versöhnung lebt im Ganzen der Wirklichkeit. Nichts findet da mehr Interesse als der Wunsch, dass jedes Menschenleben gelingt. Gott sucht Mitliebende, die seine Leidenschaft für den Mitmenschen und die Welt teilen. Ob wir anders mit den Menschen und Dingen umgehen, wenn wir uns derart als Adressaten göttlicher Sehnsucht verstehen dürfen?
Aber machen wir uns nichts vor: was wir weihnachtlich feiern, ist eben noch nicht überall Realität. Weihnachten ist ein Kontrastprogramm. Dichter und Gläubige wie Ernesto Cardenal sehen das genau. Er als Priester hat sich bewusst sogar in die Politik eingemischt zwecks Verbesserung der Verhältnisse. Wie viel ist noch zu tun! Die Weihnachtsbotschaft ist auch eine Art Regierungsprogramm. „Wir sind der Gegenstand einer unendlichen Sehnsucht des Vaters, und der Heilige Geist ist das Atmen dieser Sehnsucht.“ Wer derart aufatmen kann, findet genauer auch heraus, was hier und jetzt zu tun und zu lassen ist. Jesus ist das beste Beispiel dafür.

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