SWR2 Wort zum Tag

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Abraham Joschua Heschel, vor 100 Jahren geboren, war einer der größten jüdischen Glaubenslehrer des letzten Jahrhunderts. Warum ich heute an ihn denke? Wenn doch die letzten Vorbereitungen heute anstehen, und es dann hinein in die Feiertage geht Aber: Noch ist ja nicht heiliger Abend, immer noch ist Advent, heute erreicht die Erwartung ihren Höhepunkt. Juden sind in besonderer Weise Menschen der Erwartung, adventliche, messianische Sehnsucht prägt ihren Glauben. Auch den Glauben von Abraham Joschua Heschel. Den Nazis konnte er entrinnen, in Amerika wurde er einer der bedeutendsten geistlichen Führer. Er stand an der Seite von Martin Luther King und allen, die Gerechtigkeit und Frieden suchen. Ganz wichtig waren seine Beiträge auf dem II. Vatikanischen Konzil zur Wiederannäherung von Juden und Christen. Noch mal: Warum gerade heute, im Blick auf den Heiligen Abend, an ihn denken? Das Lebensthema Heschels hieß wie eines seiner kostbaren Bücher: „Gott sucht den Menschen“. Wie kaum einer hat er die messianische Sehnsucht seines jüdischen Glaubens formuliert, das Geheimnis des Gottes, der sich selber verschenken will. Heschels Lebensthema war diese adventliche Sehnsucht: Die Vorfreude auf die Ankunft des Messias, die insgesamt vom Schenken geprägt ist, vom Wohlwollen, von Zuversicht. In den Psalmen Israels heißt das: „Es begegnen einander Huld und Treue, Gerechtigkeit und Friede küssen sich. Treue spross aus der Erde hervor, Gerechtigkeit blickt vom Himmel hernieder.“ (Ps 85, 10f). In der Gestalt des gottgesandten Messias soll diese Vision endlich wahr werden.
Abraham Joschua Heschel steht imponierend für diesen Glauben Israels, für seine Hoffnung auf den Messias, auf Befriedung und Heilung in allem. Ein Glaube, den der Jude Jesus teilte. Nur: Wir Christen sehen das in Jesus von Nazareth auch schon geglückt. Aber was in seiner Geburt zur Welt kommt, das soll weltweit Wahrheit werden. Was in Jesu Wirken damals aufblitzte, das soll die Verhältnisse insgesamt ändern. Indem wir an die Ankunft Gottes in Jesus Christus damals denken, erhoffen wir umso mehr, dass er bald wiederkommt: mit Weihnachten ist der Advent nicht zu Ende, aber Sehnsucht und Hoffnung haben nun ein anderes Vorzeichen. Wie die Hefe im Kuchenteig will die weihnachtliche Friedensbotschaft mitten in der alten eine neue Welt entstehen lassen, dafür steht der Messias. Juden und Christen bezeugen diese Gewissheit, auf dass der Messias kommt: Gott sucht den Menschen, und in der Geburt Jesu Christi hat er einen wenigstens schon ganz gefunden, der sich von ihm beschenken lässt. In diesem Sinne also gesegnete Weihnachten und einen reichen heiligen Abend.
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