SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Das kennen Sie vielleicht auch. Da gibt es plötzlich Schwierigkeiten, eine Aufgabe, die einem über den Kopf wächst oder ein Kollege, der einem so zusetzt, dass man einfach nicht mehr kann. Plötzlich ist alle Sicherheit weg. Schaffe ich meine Aufgaben überhaupt noch? Oder gehe ich unter? So etwas haben auch die Jünger von Jesus mal erlebt. Die Bibel erzählt das so (Mk 4, 35ff):

 

Nach einem langen anstrengenden Tag stiegen sie in ein Boot. Sie waren müde und erschöpft, aber es soll ja auch nur eine kurze Überfahrt zur nächsten Stadt am anderen Ufer des Sees Genezareth werden. Keine große Sache. Auch für die anderen Boote, die sie begleiteten. Einige Jünger waren Fischer, also gut vertraut mit dem See. Doch dann kam alles anders. Ein Sturm zog auf mit bösen Fallwinden vom nahen Bergland. Wind und Wasser peitschten ihnen ins Gesicht, die Wellen und die Gischt gingen hoch und schließlich auch in die Boote. Sie waren dem Wetter ausgeliefert und wussten sich nicht mehr zu helfen.

Der Wind bläst einem kalt ins Gesicht, das Boot läuft voll Wasser und man hat nichts dagegen zu setzen. Nirgends ist Hilfe in Sicht. Nicht nur bei der Arbeit kann man so etwas erleben, das passiert leider auch privat. Es knallt mit den erwachsenen Kindern, mit dem Partner oder mit Freunden. Man findet nicht mehr zueinander. Aus der kalten Brise wird ein Sturm, ein Unwetter. Alles wird plötzlich falsch verstanden und immer noch schlimmer. Unerträglich. Das Wasser steht hoch im Boot. Wer kann da noch helfen? So gesehen kennt jeder den Sturm auf dem See. Was aber haben die Jünger gemacht, als sie nicht mehr weiter wussten?

Sie haben Jesus gesucht, an den sie in dieser Lage zuerst gar nicht gedacht hatten. Sie hatten ja alle Hände voll zu tun. Aber Jesus schlief. Er lag einfach so da in einem geschützten Winkel des Bootes. Vielleicht noch erschöpfter als sie – wegen der vielen Menschen und Gespräche. Sie konnten es nicht fassen. Sie schüttelten ihn und weckten ihn auf. Dann fragten sie ihn: „Kümmert es dich nicht, dass wir hier umkommen?“

Ich höre da Unverständnis, Wut und Verzweiflung. Merkst Du denn gar nichts? Du lieber Gott! Warum greifst Du nicht ein? Es ist fast wie ein Gebet. Auch das kennen viele. Wenn gar nichts mehr hilft… dann ein Stoßgebet, oft ebenso verzweifelt, so wütend, wie die Jünger. Weil man einfach nicht mehr weiter weiß.

Jesus aber stand auf, bedrohte den Wind und sprach in das tosende Wasser hinein: „Schweig und verstumme!“ Da legte sich der Wind und es breitete sich eine große Stille aus. Gott hatte eingegriffen. Wenn ich die Umstände nicht mehr ändern kann und mit meiner Kraft am Ende bin, dann kann er immer noch alles wenden. Mit seinen unfassbaren Möglichkeiten.

Aber damit ist die Geschichte ja noch nicht zu Ende. Sie beginnt jetzt erst richtig. Eine große Stille hatte sich ausgebreitet, als der Sturm sich gelegt hat, heißt es in der Bibel. Jesus aber schaute nun hin zu den Jüngern und fragt: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?

Na ja, ist es denn nicht normal, dass man sich fürchtet, wenn man gerade noch mit beiden Händen Wasser aus dem Boot schöpfen musste, wenn einer der Kollegen noch mühsam das Steuer festgehalten hat und jeder Einzelne gleichzeitig aufpassen musste bei der nächsten Welle nicht über Bord zu gehen? Und ist es nicht genauso normal, dass man zuerst einmal alle seine eigenen Möglichkeiten auslotet, bis man nach Gott ruft. Selbst ist der Mann oder die Frau heißt es doch so schön.

Aber genau das sieht Jesus anders. Er ist ja mitten in das Leben seiner Mitmenschen hineingetreten, um ihnen auch dort Gott nahe zu bringen. Er hat keine Sonntagsreden gehalten, sondern ist ihnen im Alltag begegnet und hat ihnen beigestanden. Und das sogar in höchster Not. Es gehört ja zum Leben, dass der Wind einem immer wieder kräftig ins Gesicht bläst. Es gehört dazu, dass man manchmal ziemlich hilflos  und an die Grenzen der eigenen Kräfte stößt. Aber immer ist Gott da und nahe.

In dieser Geschichte und ihrer Frage finde ich eine Hilfestellung für die bedrohlichen Stürme meines Lebens. „Habt ihr noch keinen Glauben?“ Wie oft lasse ich mich tagtäglich ablenken von der wichtigsten Beziehung meines Lebens, von der zu Gott. Und sogar dann, wenn ich unter Druck gerate. Alles setze ich dann ein, was ich selbst aufzubieten habe und was vielleicht doch nicht hilft. Statt den liebenden und nahen Gott mit in den Blick zu nehmen, der einen Weg weiß. Er hat Möglichkeiten, die alles übersteigen, was ich aufbieten kann. Er kann in der Verzweiflung Hilfe und Geborgenheit schenken.

Das war den Jüngern damals noch fremd. Deshalb hat sie dann erst recht der Schrecken gepackt und sie haben sich untereinander gefragt: Wer ist der, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind?

Erst allmählich und durch weitere Herausforderungen haben sie gelernt, dass Gott, sich ganz dicht an ihre Seite stellt, gerade, wenn es schwierig wird. Dass er sie durch alle Stürme hindurchträgt, so wie ein liebender Vater sich um seine Kinder kümmert.
Deshalb: Egal, was Sie heute beschäftigt oder bestürmt. Ich wünsche Ihnen dieses tiefe Vertrauen, diesen Glauben und einen gesegneten Sonntag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28095
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