SWR2 Wort zum Tag

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Ein Schneesturm mitten im Gebirge. Überall ist undurchsichtiger Nebel. Nur ab und zu sieht man für einen kurzen Moment verschiedene Wege. Wenn ich einfach stehen bleibe, werde ich wahrscheinlich erfrieren. Aber wenn ich einen falschen Weg wähle, werde ich womöglich tödlich abstürzen. Was soll ich in dieser Situation tun?

Dieses Szenario hat der amerikanische Philosoph William James in einem Vortrag vor über 100 Jahren gezeichnet. Sein Vortrag dreht sich um die Frage: „Glaubst du an Gott und wählst damit einen Weg oder bleibst du zweiflerisch auf der Stelle stehen?“

William James nimmt besonders die Leute in den Blick, die unentschlossen sind und am Glauben zweifeln. Provokant behauptet er: Wer dem Glauben skeptisch gegenüber steht, der versucht ein Risiko zu vermeiden. Und wer immer nur zweifelt, will verhindern, sich falsch zu entscheiden.

Das lehnt James ab. Er findet keinen Grund, warum es besser sein soll, aus Angst davor falsch zu liegen an Gott zu zweifeln als sich positiv für den Glauben zu entscheiden. Er will also lieber an Gott glauben.

Aber: Ist es wirklich die Angst etwas Falsches zu glauben, die Zweifler abhält? So einfach ist es doch nicht, Zweifel an Gott abzutun. Wenn ich sensibel in die Welt schaue und sehe wie furchtbar Menschen leiden, dann kann mich das durchaus an Gott zweifeln lassen.

Und wenn ich mich für den Glauben entscheide, weil ich mir dadurch meine Seele retten will, ist das auch keine angstfreie Wahl. Es gibt noch etwas anderes als einfach „nur“ glauben zu wollen und sich dafür zu entscheiden.

Für mich ist der erste Schritt zum Glauben die Sehnsucht. Konkret: Ich möchte nicht, dass Menschen ausgebeutet, unterdrückt oder gequält werden. Alle Ungerechtigkeiten sollen einmal ein Ende haben. Danach sehne ich mich. Ein Idealbild stellt mir die Bibel vor Augen. Jesus Christus hat die Menschen gerecht behandelt, er hat Menschen geholfen und geheilt.

Ich sehne mich nach einem guten Gott, der helfen kann und allmächtig ist. Den ich aber oft genug schmerzlich vermisse.

Weil ich in meinem Leben immer wieder etwas von diesem Gott spüre, kann ich glauben und vor allem hoffen. Es gibt immer wieder Momente im Leben, bei denen meine Sehnsucht zumindest ansatzweise gestillt wird. Da erlebe ich, dass es Liebe gibt im Leben. Zum Beispiel, wenn sich zwei Menschen miteinander versöhnen. Hinter dieser menschlichen Liebe, sehe und ersehne ich eine noch viel größere Liebe: Gott.

Wenn ich mich nach etwas oder auch nach jemandem sehne, kann mich diese Sehnsucht dazu bewegen auch im Schneesturm vorwärts zu gehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28076
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