SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Ob ein Mensch durch das Feuer der Liebe Gottes gegangen ist, erkennen wir nicht daran, wie er von Gott spricht, sondern wie er von den irdischen Dingen spricht.“  Dieser wunderbare Satz stammt von der Philosophin Simone Weil. Sie war davon überzeugt, dass zu viel von Gott geredet würde, besonders bei Christen und in den Kirchen. Aber nicht Worte sind entscheidend, sondern das Leben, das konkrete Verhalten, der way of life. Die vielen Worte sind immer nahe am Gerede oder gar der an Sprüche-Klopferei. Was alles in den Kirchen von Gott geredet und gewusst wird!  Zur Geschichte des Atheismus gehört dieser Ärger über die fromme Gottes-Inflation.  Zu viel Worte, zu wenig Taten; zu viel abgehoben Göttliches, zu wenig irdische Dinge im Feuer seiner Liebe. Gott ist ein Tatwort und keine Ausrede: Sprachraum der Hoffnung und Verzweiflung, der Klage und des Jubels, der Bitte und des Dankes. Sprachraum und Lebensraum.

„Der Gott – Subjekt im Satz? Zuviel wird ER gesetzt, /zuviel gehegt, gehetzt. Das Schweigen birgt IHN jetzt.“  Dieser dichte Zweizeiler bringt es auf den Punkt. Nicht frommes Gerede, nicht kirchliche Proklamation, Gott als Subjekt im Satz entzieht sich allen Versuchen, ihn zu fassen oder gar zu besitzen. „Das Schweigen birgt IHN jetzt“ – in der Meditation z.B., im stillen Innehalten, im fragenden Erstaunen, im mutigen Anruf. In all dem also, was überwältigt und Vorstellung wie Sprache sprengt.  Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.  Christian Lehnert, von dem diese zwei Verse stammen, gab ihnen die Überschrift „Grenzen der Syntax“, Grenzen also der gesetzten, der satzhaften Rede. (Cherubinischer Staub, Berlin 2018,42). Es geht um das, was nicht zu fassen ist, wortwörtlich. Das Schöne, das Schreckliche, im Grunde ja alles. Der Dichter will auch sprachlich Raum schaffen für das Wunder des Daseins, für das Geheimnis Gottes. Die Sätze, in denen wir Gott zum Subjekt machen, sind ständig in Gefahr, über ihn zu verfügen und ihn kleinzureden.  Im Schweigen dagegen kommen die Dinge ins Lot, im betenden Innehalten, im Seufzen und Lauschen. Wenn es dann doch zum sprachlich gesetzten Gebet kommt, dann sind es „Worte aus dem Schweigen“. Achtung also vor Gott, vor dem Wort und der Wirklichkeit. Be-Achtung nämlich der irdischen Dinge. Die sind nicht selbstverständlich, die sind unsagbar und nicht zu fassen. „Im Feuer der Liebe Gottes erst recht“.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28073
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