SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Es waren nur zwei kurze Sätze: „Schön, dass Sie da waren. Und wenn es Ihnen gutgetan hat, dann kommen Sie wieder.“ Sie stehen auf einer Tafel am Ausgang. Ob sie wirklich ganz aufrichtig und ernst gemeint waren?  - Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich bin in keinem Wellnesshotel an jenem Sonntag gewesen - sondern in einer Kirche. Ein besonderer Gottesdienst hat mich in die Nachbarstadt geführt; zum ersten Mal in diese Kirche. „Schön, dass Sie da waren. Und wenn es Ihnen gutgetan hat, dann kommen Sie wieder.“ Interessiert sich da wirklich jemand für mich oder ist es nur eine Floskel? Oder will da am Ende jemand etwas von mir?

Wer sich heute in Zeiten digitaler Daten für einen anderen interessiert, hat es eigentlich ziemlich leicht. Vor Kurzem ist mir beim Surfen im Netz wiederholt Werbung von schönen Retro-Sesseln aus den 70er Jahren gezeigt worden. Fand ich toll und habe mir gedacht: die sehen genauso aus wie die Sessel, die ich mit dem Handy letztes Wochenende in einem Hotel fotografiert habe. Erst nach ein paar Tage ist mir erschreckend klar geworden, dass die Werbung kein Zufall war. Dieses Interesse an mir ist echt gewesen – klar, die Werbenden wollen etwas von mir. Mich als Kunden gewinnen.

Und was möchte die Kirche von mir? Was weiß sie über mich, über ihre Gemeindemitglieder oder ihre sporadischen Besucher? Hat sie ein echtes Interesse an ihnen? Sie sollte eines haben, finde ich. Jesus sagt in einfachen aber klaren Worten, in welche Richtung es gehen soll: „Was willst Du, dass ich Dir tun soll?“, fragt er den blinden Bartimäus. Ein Satz, den wir so oder ähnlich täglich hören: beim Friseur, an der Wursttheke, beim Arzt: „Was kann ich für Sie tun?“

In Stuttgart hat sich vor kurzem eine neue Kirchengemeinde gegründet. Sie hat sich intensiv Gedanken darüber gemacht, wie sie Menschen ansprechen kann, die sich von der Kirche entfernt haben. Was braucht es, damit Menschen ein Gottesdienstbesuch guttut? Das Projekt nennt sich „Homebase“ – Basisstation, Heimat. Das erste was auffällt: Ein Begrüßungsteam heißt jeden Gottesdienstbesucher willkommen, keiner soll sich verloren fühlen. Und wer schon lange nicht mehr in einer Kirche war, der wird mit Texten an der Wand und Lichtinstallationen durch die Liturgie geführt.

Ich bin übrigens dann noch ein zweites Mal in jener Kirche mit der Tafel gewesen – und wurde belohnt: beim nächsten Besuch saß eine junge Organistin an der Orgel, Aushilfe, neu zugezogen: ich habe schon lange keine so feurige Orgelmusik mehr in einem ganz normalen Sonntagsgottesdienst gehört. Die Tafel stand noch da, noch immer an derselben Stelle. Ich komm bestimmt noch ein drittes Mal vorbei.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28060
weiterlesen...