SWR4 Abendgedanken

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„Das Beste kommt zum Schluss“, so heißt ein englischer Film. Im Originaltitel: The Bucket List. Der Titel bezieht sich auf die englische Redewendung „kick the bucket“, das ist umgangssprachlich und heißt so viel wie den Löffel abgeben oder ins Gras beißen, also: sterben. Der Film handelt von zwei krebskranken Männern, die gemeinsam eine Liste erstellen mit all den Dingen, die sie noch erleben wollen, bevor sie sterben, die sogenannte Bucket-List. Die beiden wünschen sich zum Beispiel die Pyramiden zu sehen, mit einem Fallschirm abzuspringen, das schönste Mädchen der Welt zu küssen oder solange zu lachen, bis sie weinen. Inzwischen ist es auch bei uns Mode geworden, so eine Liste zu erstellen. Und weil wir ja davon sprechen, den Löffel abzugeben, heißt sie bei uns Löffelliste.

Auch meine Tochter und ihre Freundinnen führen Löffellisten. Ich war neugierig und wollte wissen, welche Dinge 14-Jährigen wichtig sind. Sie hat mir Einblick in ihre Liste gewährt – und ich war erstaunt: Sie war fast identisch mit meinen eigenen Wünschen: Sie würde gerne Russisch lernen – ich gerne spanisch fließend sprechen. Sie möchte drei Monate in der Wildnis in Kanada verbringen – ich eine Weltreise mit dem Schiff machen. Sie möchte auf Hawaii surfen, ich am Meer leben und die Polarlichter sehen.

Ich bin über dreißig Jahre älter als meine Tochter. Und doch sind es am Ende Wünsche derselben Art, die auf unseren Listen zu finden sind: Löffellisten sind Listen voller Träume und Sehnsüchte.

Ja, es fühlt sich gut an, wenn ich ans Meer denke und ans Verreisen. Träume und Pläne hellen meine Stimmung auf. Doch das trägt mich nicht durch die vielen Tage und Wochen im Jahr. Ich muss sogar aufpassen, dass die unerfüllten Sehnsüchte mir nicht Angst machen etwas zu verpassen. Andere machen dieses und jenes! Und ich?

Will ich dem entgegenwirken, muss ich anders denken. Weg von all dem, was noch sein soll; zurück zu dem, was war. Dabei kann mir die Reverse-Bucket-List helfen – also die umgedrehte Löffel-Liste. Auch diese Liste hat sich mittlerweile bei Etlichen etabliert: Sie hat Platz für all das, was ich schon erreicht habe, worauf ich stolz und wofür ich dankbar bin. Es tut mir gut, an solche positiven Erinnerungen zu denken. Das stärkt mein Selbstbewusstsein. Auf meiner umgedrehten Löffelliste steht: selbständig meine Steuererklärung machen, trotz einer 4 in Mathe BWL studiert, gesunde und freundliche Kinder haben, liebe Menschen kennen und dem Papst die Hand gegeben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28059
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