SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Der Zug ist gut gefüllt. Da lässt sich ein Mann in den freien Sitz neben mich fallen. Dicke Winterjacke, kräftige Statur. Breitbeinig sitzt er da, stopft sich seine Ohrhörer in die Ohren und döst. Na super, denke ich. Der macht es sich bequem, und ich sitze hier eingeklemmt zwischen diesem Menschen und dem Zugfenster. Dass ich nun meinerseits versuche, mir etwas mehr Spielraum zu verschaffen, stört ihn nicht im Geringsten. Immerhin, zwei Stationen später steigt er wieder aus. Aufatmen.

Schon möglich, dass dieser Mann das Wort Rücksicht noch nie gehört hat. Ganz wörtlich bedeutet es ja, nicht immer nur stur nach vorne zu schauen. Dahin, wo ich gerade hinwill. Sondern auch mal nach links und rechts und sogar nach hinten. Also hin und wieder auch mal die Rück-Sicht einzunehmen. Der Rückspiegel im Auto ist ja auch nicht als Dekoelement gedacht. Dabei kann man dann Erstaunliches entdecken. Zum Beispiel, dass es auch noch andere gibt, die Bedürfnisse haben und nicht nur ich und meine Interessen. Egal ob auf der Straße oder im Leben.

Auf den ersten Blick scheinen Leute, die sich nicht mit allzu viel Rücksicht auf andere belasten, im Vorteil zu sein. Möglichst rücksichtslos die eigenen Interessen durchzusetzen garantiert in der Regel schnellen Erfolg. Und doch bin ich mir sicher, dass am Ende derjenige weiterkommt, der sich rücksichtsvoll verhält. Weil ich in meinem Leben unendlich oft auf die Hilfe von anderen angewiesen bin. Und weil es dann schon einen wichtigen Unterschied macht, ob Kollegen, Nachbarn oder auch Wildfremde gerne mit mir zu tun haben oder nicht. Und es ist definitiv schöner, beim Blick zurück ein freundliches Lächeln zu sehen.

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