Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Kritik kann schon richtig weh tun. Wer lässt sich schon gern von anderen sagen: „Mensch, was du gemacht hast, das ist Mist!“ Ich weiß selber nur zu gut, wie sehr das am eigenen Selbstbewusstsein kratzen kann. In den Runden, in denen wir unsere Texte gegenseitig besprechen, habe ich schon Leute mit Tränen in den Augen sitzen sehen. Von daher wundert es mich gar nicht, dass so viele Menschen empfindlich und dünnhäutig auf Kritik reagieren. Manchmal sogar regelrecht aggressiv.

Ich höre selber ja auch viel lieber Lob. Lasse mir viel lieber sagen, wie toll ich bin und überhaupt der Größte. Und Hand aufs Herz. Natürlich brauchen wir alle solche Streicheleinheiten. Die gehen schließlich runter wie Honig und massieren unsere Seele. Und trotzdem glaube ich, dass darin auch eine Gefahr lauert. Wenn ich nämlich nur noch höre oder lese wie toll ich doch bin, dann glaube ich irgendwann selber dran. Eine echte Gefahr für alle, die in Führungspositionen sind. Wenn mir da keiner mehr widerspricht. Es keiner mehr wagt, Kritik anzubringen, dann glauben manche wirklich, dass sie die Allergrößten sind. Darum mag ich jene kleine Geschichte aus dem alten Rom. Da heißt es, dass ein römischer Feldherr, wenn er im Triumphzug in Rom einzog, immer einen Menschen hinter sich stehen hatte. Der sollte ihm zwar vor allem den Lorbeerkranz übers Haupt halten. Aber er musste dem umjubelten Feldherrn auch ständig zuflüstern: „Sieh dich um; denke daran, dass auch du nur ein Mensch bist.“

Begründete Kritik auch annehmen zu können ist wichtig. Sie holt mich nicht nur zurück auf den Boden der Tatsachen. Sie hilft mir ja auch dabei, besser zu werden. Eine Entscheidung vielleicht noch gründlicher zu überdenken. Mich zu prüfen, ob ich mich in einem Konflikt wirklich richtig verhalten habe. Immer vorausgesetzt, dass die Kritik nie runtermacht und erniedrigt. Dass sie menschlich wertschätzend und annehmbar daherkommt. Oder wie ein Kollege es einmal so wunderbar formuliert hat: Sagt alles was nötig ist. Aber sagt es immer mit Liebe.

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