SWR2 Wort zum Tag

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„Was haben Sie nach Ihrer Rückkehr auf die Erde besonders genossen?“ Das wurde der Astronaut Alexander Gerst gefragt, als der kurz vor Weihnachten letzten Jahres wieder sicher in der kasachischen Steppe gelandet war.

Und Alexander Gerst antwortete: „Genossen habe ich meine Familie zu sehen. Und einfach wieder ein bisschen die Natur zu erleben. Ich war im Wald spazieren, um den frischen Wind um die Nase zu spüren. Das habe ich vermisst. Wind im Gesicht. Und Regen. Es sind solche kleinen Dinge, nach denen man sich sehnt.“

Das klingt banal. Aber ich finde, es ist alles andere als das. Denn es handelt sich ja um Dinge, die man weder im Weltall noch auf dem Mond finden kann. Dinge, die in ihrer völligen Alltäglichkeit unendlich kostbar sind.

Die Zuneigung von geliebten Menschen. Bei einem Spaziergang die Geräusche des Waldes wahrzunehmen. Die Kühle des Windes und des Regens auf der Haut zu spüren.

Man könnte diese Liste alltäglicher und kostenloser Dinge endlos fortsetzen. Etwa: das Spiel der Sonnenstrahlen auf der Bettdecke. Das Krähen eines Hahnes am frühen Morgen. Die freundliche Hand, die einem die Tür öffnet und in die bereit stehende Tasse Tee oder Kaffee einschenkt. Die Freude über einen plötzlichen guten Einfall. Das Gefühl der Rührung beim Hören einer bestimmten Musik. Der Spaziergang im Schnee. Das Klavier mit den aufgeschlagenen Noten. Eine wohltuende Berührung. Der Gedanke an die ersten Schritte vor die Haustür.

Ich glaube, man muss manchmal weit weg gewesen sein, um die Schönheit des Alltäglichen wieder neu zu entdecken. Vielleicht, wenn man nach langer Krankheit wieder ins Freie tritt. Auf eine Wiese oder an einen Fluss. Wenn man aus engen und geschlossenen Räumen wieder an die frische Luft kommt. Oder eben: wenn man von einem Weltraumflug auf die Erde zurückkehrt.

Für den Astronauten kommt es darauf an, sagt Alexander Gerst, sich nach der Erfahrung der Leichtigkeit des Körpers im All wieder daran zu gewöhnen, mit der Schwerkraft auf der Erde klarzukommen. Leib und Seele an die Lebensbedingungen hier auf Erden zu gewöhnen.

Das ist nach so langer Abwesenheit nicht einfach. Aber so eine Liste kleiner Freuden kann dabei ausgesprochen hilfreich sein. Ich spüre darin so etwas wie den Atem Gottes, der mich jeden Morgen neu berührt. Und mir hilft, die Schwerkraft des Alltags leichter zu nehmen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27927
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