SWR2 Wort zum Tag

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Das neue Jahr 2019 ist auch ein Gedenkjahr an den Schriftsteller Theodor Fontane. Vor 200 Jahren kam er in Neuruppin in Brandenburg zur Welt. Und machte eine Karriere vom Apothekerlehrling zum europäischen Romancier und Schriftsteller der jungen Moderne.
Von Fontane stammt ein Neujahrsgedicht, das so beginnt: „Und wieder hier draußen ein neues Jahr. Was werden die Tage bringen? Wird‘s werden, wie es immer war, halb scheitern, halb gelingen?“

Die Frage zeigt den Realismus Fontanes, der weit davon entfernt gewesen ist, den Menschen zu idealisieren. Häufig zeichnet Fontane Menschen, die dem moralischen Urteil der Gesellschaft nicht Stand halten. Er verurteilt sie nicht, sondern lässt ihnen Barmherzigkeit geschehen. Versöhnung und Rettung sind für ihn darum möglich, weil es noch eine andere Instanz gibt als die geforderte Wohlanständigkeit. Immer wieder finden sich bei Fontane auch Bezüge zur Kirche seiner Zeit und zu ihrem Personal. Oft ironisch distanziert, meist humorvoll, aber nie verletzend.

Die Bibel spielt in seinem Werk immer wieder eine Rolle. Eins der zentralen Bibelzitate, die sich bei ihm finden, stammt aus der Bergpredigt: „Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Rein ist ein Herz, so versteht er es, das von  Selbstgerechtigkeit frei ist. Weil es von einem Glanz lebt, den es sich nicht selbst aufgesteckt hat, sondern der von woanders her kommt.

Gewiss, Fontane ist kein Prediger des Evangeliums. Aber auf vielen Seiten seines Werkes ist ein warmer Unterton der christlichen Botschaft zu spüren. „In dem heilig Überlieferten“, schreibt er einmal, „gedeiht jene klaräugige Weisheit, die auch in Dingen dieser Welt das wahre vom Falschen, das Glückbringende vom Unglückbringenden zu scheiden weiß“.

Und so endet sein Neujahrsgedicht mit einem zutiefst menschlichen Wunsch: „Ich möchte leben, bis all dies Glühn rücklässt einen leuchtenden Funken und nicht vergeht wie die Flamm' im Kamin, die eben zu Asche gesunken.“

Der leuchtende Funke, den Fontane heutigen Generationen hinterlässt, ist für mich sein einfühlsamer und barmherziger Blick auf die Menschen. Frei von Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit. Ich meine darum, dass es gut ist und lohnend, seine Werke wieder einmal zur Hand zu nehmen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27926
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