SWR3 Gedanken

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Die Zeit ist eine unverlässliche Partnerin. Je älter ich werde, desto öfter spielt mir mein Zeitgefühl Streiche: Ich kann mich an Ereignisse nicht erinnern, die mir meine Tochter in aller Ausführlichkeit schildert. Oder ich erzähle von einer wochenlangen Krankheits-Phase, die tatsächlich nur 5 Tage lang war, wie mir meine Kollegin nachweist. Ganz zu schweigen von jenen Wochen, die nur so vorbei zu fliegen scheinen, im Unterschied zu anderen Zeiten, in denen sich jede Stunde ins Unendliche dehnt. Diese riesige Bandbreite an gemeinsamen und persönlichen Lebensmomenten, an geteilter und erinnerter Zeit – je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr verheddere ich mich darin.

Mir gefällt der Gedanke, dass die Zeit ein Geschenk Gottes an den Menschen ist, um mit der Ewigkeit klar zu kommen. Dann ist unser Zeiterleben so was wie Atmen: Zeit gehört zu den Bedingungen unseres Lebendigseins. Aber letztlich kommt alle unsere Zeit aus einer ewigen Quelle.

Ganz egal, wie ich meine Lebenszeit einteile und erlebe oder gar erinnere – alles geschieht innerhalb dieser geschenkten Zeit und gehört gleichzeitig in diese Ewigkeit hinein. Das bedeutet dann auch: Nichts und niemand geht verloren. Meine leeren Tage sind darin geborgen, an die ich mich kaum erinnere. Meine traurigen Zeiten, in denen die Zeit still zu stehen scheint. Und auch die guten Zeiten, wenn ich vor lauter Glück die ganze Welt umarmen will. Alles gehört nicht nur zu meinem Leben sondern ist begleitet vom Leben der anderen Menschen und eingehüllt in Gottes Ewigkeit.

Ich finde das tröstlich. Und außerdem entlastend: Ich muss mich nicht an alles erinnern. Nichts geht verloren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27911
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