Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Claus war schon als Kind ein Tunichtgut, das hat sich nie geändert. Als er noch klein war, lachten alle über seine Streiche, aber später, wenn er in Kaufhäusern etwas mitgehen ließ oder sich mit seinen Bekannten geprügelt hatte, fanden  die Anderen das nicht mehr so lustig. Irgendwann kam er sogar für ein paar Monate ins Gefängnis und viele aus seinem Heimatdorf fanden das gut. Wer nicht hören will, muss fühlen.

 

Soweit, so gut – oder so schlecht. Er war dann im Knast und hatte seine Ruhe.

Und die Familie? Die Oma traute sich nicht, in die Kirche zu gehen; sie fühlte sich irgendwie mitschuldig, weil sie den Enkel so verwöhnt hatte. Und sie wollte nicht angesprochen werden von den anderen Kirchgängern.

Der Vater war tagsüber beruflich unterwegs, aber natürlich merkte er, wie die Kollegen hinter seinem Rücken tuschelten und verstummten, wenn er ins Büro kam.

Für die Mutter war es besonders schlimm. Nachbarinnen gingen ihr aus dem Weg; das übliche Schwätzchen am Gartenzaun fiel aus. Alle hatten die Zeitung gelesen und viele wussten, was mit Claus war. Eine fragte sogar scheinheilig: wie geht’s eigentlich eurem Sohn? Und weidete sich an der Verlegenheit der Mutter. Die Geschwister in der Schule wurden gehänselt und verspottet.

Ich finde das gemein. Vielleicht waren die Eltern nicht streng genug gewesen, aber Fehler in der Erziehung macht ja wohl jeder. Und manche haben trotzdem Glück mit ihren Kindern.

Aber es kann auf keinen Fall richtig sein, die ganze Familie in Sippenhaft zu nehmen. Im Gegenteil. Wir treffen uns auf einen Kaffee.  Es tut ihr gut, sich mal auszusprechen über diesen Tunichtgut, den sie trotz allem sehr lieb hat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27868
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