SWR2 Wort zum Tag

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Wer einen Menschen verliert, den er geliebt hat, der trauert. Und manche Menschen trauern nicht nur einige Monate oder ein Jahr. Manche halten fest an ihrem Traurigsein wie an etwas, das sie nicht auch noch verlieren möchte. Sie wollen sich von nichts trennen, das sie an den Verlust und den Verlorenen erinnert. Und mit jedem Erinnern tut es wieder in der Seele weh.

Wie kann man solchen Menschen beistehen? Wie sie trösten? Manchmal gibt es keinen besseren Trost als den: nicht weglaufen, wenn der andere zu verstehen gibt: „Meine Seele will sich nicht trösten lassen.“ Heute nicht, morgen nicht, niemals. Und vor allem nicht mit Sätzen wie: „Es wird schon wieder, Kopf hoch! Die Zeit heilt alle Wunden. Das Leben geht weiter.“ Denn er hat entschieden: Das Leben ist keine Vorabendserie, in der alle Probleme nach 45 Minuten irgendwie gelöst sind. Das Leben geht nicht weiter. Die Zeit heilt gar nichts. Und erklärt: „Der Psychiater hat mir nicht geholfen, Tabletten will ich nicht schlucken - und auch der Glaube hilft mir nicht weiter.“

„Meine Seele will sich nicht trösten lassen“, heißt es in einem Psalm der Bibel. „Ich denke an Gott – und bin betrübt; ich sinne nach – und mein Geist verzagt. Meine Augen hältst du, dass sie wachen müssen; ich bin voll Unruhe, dass ich nicht reden kann.“

Heute  wie damals gab es Menschen, die sich nicht trösten lassen wollen, die in ihrer Seele an ihrem Schmerz festhalten, die über den Verlust eines Menschen, den sie geliebt haben, nicht hinwegkommen. Und nicht hinwegkommen wollen. Diese Menschen haben für mich eine ganz eigene Würde. Denn sie halten ja fest daran, dass jedes verlorene Menschenleben Anspruch darauf hat, für immer als ein Verlust empfunden zu werden. 

Liebe, hat mal ein Psychotherapeut gesagt, Liebe ist mehr als nur offen zu sein für die Qual der anderen. Liebe ist die Bereitschaft, mit dem Wissen zu leben, dass wir nichts tun können um den anderen von seinem Schmerz zu befreien.“ (S.B. Kopp) Dem körperlichen und dem seelischen. Den anderen in seinem Schmerz wahrnehmen, bei ihm bleiben und ihn nicht verlassen – aber sich einzugestehen, dass wir ihn von seinem Schmerz nicht befreien können, auch das erfordert Mut, Geduld und Liebe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27826
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