SWR2 Wort zum Tag

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Silvester, der letzte Tag im Jahr. Der Sekt steht schon im Kühlschrank und natürlich gibt es was Anständiges zu essen. Schön gedeckte Tische, festlich Kleidung, üppiges Menue – damit haben schon die alten Römer den letzten Tag des Jahres gefeiert. Und die ersten Christen fanden das auch nicht übel. Dem Kirchenlehrer Augustinus aber war das nicht fromm genug. Er riet den Christen seiner Zeit: „Jene mögen ins Theater eilen – ihr in die Kirche. Jene mögen sich berauschen – ihr sollt fasten.“ Denn im Hinblick auf die Ewigkeit ist so ein Jahreswechsel ja auch nichts Besonderes.

Aber die wenigsten werden sich die Mahnungen des Kirchenvaters zu Herzen genommen haben. Denn Silvester, der letzte Tag im Jahr, scheint ja etwas ganz besonderes, man befindet sich quasi auf der Schwelle: das Alte ist vorbei, und das Neue bricht an. Aber genau betrachtet vergeht die Zeit auch an diesem Tag wie an allen anderen. Mit dem neuen Jahr bricht nicht automatisch etwas Neues an. Also alles halb so spannend?

Als Kind hätte ich mich bitter beklagt, wenn meine Eltern mich um 10 Uhr abends ins Bett geschickt hätten.  Das durfte man mir nicht vorenthalten: Bleigießen, Knallerbsen, Feuerwerk! Zeit verging im Flug. Aber heute macht es mir überhaupt nichts mehr aus: Am Silvesterabend einfach ins Bett, die Decke über den Kopf, und einschlafen. Das Geknalle überhören, nicht auf irgendeiner Party  bei lauwarmen Sekt die Stunden zählen müssen, bis es endlich 12 Uhr ist. Dann lieber am nächsten Morgen ausgeschlafen aufwachen und feststellen: das neue Jahr sieht nicht anders aus als das alte.. Die Zeit vergeht, sie weiß es nicht besser.

Aber: Was ist die Zeit? „Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es. Wenn ich es einem Fragenden erklären will, weiß ich es nicht.“  schrieb der Kirchenvater Augustin im 4. Jahrhundert. Hört sich ein bisschen an wie ein Schüler, der nach einer Ausrede sucht. Weiß er es nun oder weiß er es nicht?

Augustin hat erkannt: Zeit ist eben nicht nur das, was die Uhr anzeigt, vielmehr etwas tief in unserem Inneren. „In dir, meine Seele, messe ich die Zeit“, erkannte der Kirchenvater  Augustinus. Keine Sonnenuhr, keine Wasseruhr, keine Anzeige auf dem Handy misst die Zeit, die wir leben. Einzig wir Menschen in uns selbst. Der Eindruck, den das, was wir erleben auf uns macht, lässt uns die Zeit lang oder kurz erscheinen.

Die letzten 10 Minuten vor dem Jahreswechsel können darum quälend  lang erscheinen, wenn man sich nur noch nach Hause und ins Bett sehnt. Sie können aber auch rasend schnell vergehen. Im Himmel ticken keine Uhren. Für uns aber, hier unten auf der Erde wird heute Nacht ein neues Jahr anbrechen, egal, ob wir das verschlafen oder feiern. Dass es ein gutes wird, das wünsche ich Ihnen und mir. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27824
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