SWR1 Begegnungen

SWR1 Begegnungen

Pater Gerd EigelshovenUnd mit Gerd Eigelshoven. Seit fast einem Vierteljahrhundert arbeitet der Pater vom Orden der Redemptoristen als Telefonseelsorger in Trier. Telefonseelsorge ist ein Angebot für Menschen in Krisensituationen. Beziehung und Partnerschaft, Familie, Einsamkeit, Trauer, Sterben und Tod, das sind die häufigsten Problemfelder von Menschen, die sich an das anonyme und kostenfreie Angebote der Kirchen wenden. Jemand, der so lange wie Pater Eigelshoven dabei ist, nimmt aber auch grundlegende Veränderungen wahr, individuelle wie gesellschaftliche.

Der Mensch heute, so wie ich ihn erlebe und auch jetzt mal 24 Jahre zurückdenke, er ist ein viel mehr Getriebener, er ist nicht ein Geforderter, sondern einer, der sich oft als überfordert wahrnimmt, der sich sehr sehr vielen schwierigen Situationen ausgesetzt sieht, die er in immer kürzerer Zeit möglichst auch leisten oder lösen soll. Das überfordert. 

Was sich auch geändert hat: Die Zeit ist schnelllebiger geworden, die Menschen ungeduldiger.

Ja, ich glaube, es hat sich verdichtet, Dinge die früher auch mit mehr Geduld angegangen wurden, oder wo in einer schwierigen Situation in Ehe und Partnerschaft bei beiden Seiten auch gesagt wurde, wir schauen mal, wie wir wieder einen Weg zueinander finden, da erlebe ich heute eher die Bereitschaft, auch einen Cut zu setzen und zu sagen, gut, es funktioniert nicht mehr, da erlebe ich am Telefon oft die Aussage, das wars jetzt, es reicht.

Und spielt da auch die Digitalisierung unseres Lebens eine Rolle, Stichworte Facebook, Whats app, Twitter und Co.? frage ich Pater Eigelhsoven.

Es spielt aus meiner Sicht sehr sehr negativ mit rein. Also ich sag ganz ehrlich, mich schüttelts, wenn ich höre, dass Beziehungen auseinandergehen per SMS oder whats app, und das hören wir immer wieder einmal, dass dann gesagt wird, ja ich hab jetzt ne whats app geschrieben oder eine SMS geschrieben, da steht jetzt drin, ich les sie ihnen vor, ja, das wars, tschüss, weiter schönes Leben!

Eine wachsende menschliche Oberflächlichkeit ist da für ihn ein Stichwort. Und das Wort Freundschaft bekommt einen ganz anderen Klang.

Es mag ja sein, dass ich auf irgendwelchen sozialen Plattformen 50 oder 150 follower habe, ich hab da nicht einen einzigen, ich brauche den auch nicht, ja, ich weiß auch nicht, was das heißen soll, und wenn das Freundschaft ist und ich mich frage, ob ich in einer schwierigen persönlichen Situation einen solchen follower anrufen würde, dann schüttelts mich wieder.

Was es heißt Telefonseelsorger zu sein, was für Pater Eigelshoven besondere Erfahrungen waren,  und was Weihnachten für die Telefonseelsorge bedeutet, dazu mehr nach dem nächsten Titel.

 

Teil 2

 

Und mit Pater Gerd Eigelshoven. Er ist seit fast 25 Jahren Telefonseelsorger in Trier und geht zum Jahresende in den Ruhestand.

Bei der Telefonseelsorge arbeiten sowohl Haupt- als auch Ehrenamtliche, allen gemeinsam ist die Bereitschaft, für Menschen in Krisensituationen da zu sein, ihnen zuzuhören, sich Zeit zu nehmen für den anderen. Aber kann man das lernen? Ja, sagt Eigelshoven und dazu ist auch die anderthalb Jahre dauernde Ausbildung da, die jeder angehende Telefonseelsorger machen muss.

Nicht selten ist der Telefonseelsorger auch nur der erste Ansprechpartner für jemand, der sich mit seinem Problem an ihn wendet. Da ist dann die Telefonseelsorge auch eingebunden in das Gefüge anderer Einrichtungen wie etwa die der Lebensberatung.

Denn es gibt durchaus Situationen, wo wir sagen, wissen Sie, wir kommen jetzt am Telefon nicht wirklich weiter, und es macht auch keinen Sinn, auf Dauer jetzt alleine mit Ihnen weiter zu sprechen, wenn Ihre Partnerin oder ihr Partner nicht dabei ist. 

Ich stelle mir vor, dass der Dienst am Telefon ganz schön belastend sein kann. Ist er, bestätigt mir Pater Eigelshoven, und erinnert sich an den Fall einer jungen Mutter aus seiner Anfangszeit   

Ich weiß noch, vier kleine Kinder, und sie hatte alles vorbereitet für ihren Suizid, und hat auch gleich dazu gesagt, ich möchte nur, dass es nachher, wenn mein Mann ins Visier der Kriminalpolizei kommen sollte, dass jemand dann für ihn aufsteht und sagt, er war es nicht, ich hab Kenntnis. Deshalb rufe ich an. Und da sind mir im wahrsten Sinne des Wortes wirklich die Kniescheiben getanzt, ich bin nach Hause gegangen und wusste nicht, wie ist die Sache ausgegangen, und einen Tag später steht eine junge Frau hier in der Dienststelle mit einem Blumenstrauß und wollte sich erkundigen, mit wem sie in dieser Nacht gesprochen hat.

Weihnachten, das Fest des Friedens und der Familie, steht vor der Tür. Dass an Weihnachten besonders viele Menschen bei der Telefonseelsorge anrufen, weil sie keine Familie haben und einsam sind, ist ein Klischee, das sich hartnäckig hält, dass er aber nicht bestätigen kann, sagt Eigelshoven.

Ich habe jedes Jahr an Weihnachten Dienst gemacht und gerne Dienst gemacht, das kann sein, im Jahr a ist unglaublich was los, und gibt es auch auf einmal viele einsame Menschen, und im Jahr b hat man das Gefühl, da ist aber auch nicht einer einsam, da kommen also Anrufe zu allen möglichen Allerweltsthemen, hat aber mit der Situation Weihnachten nicht die Bohne zu tun.

Kompetent, sensibel und zugewandt, klar und gleichzeitig behutsam in der Sprache, ernst, wenn es ernst wird, doch die Grundstimmung heiter, so habe ich Gerd Eigelshoven erlebt in unserer Begegnung. So wünsche ich mir Seelsorger.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27798
weiterlesen...