SWR3 Gedanken

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Als Kind konnte ich es immer kaum erwarten. Sobald es kalt genug wurde, bin ich morgens  als erstes zum Fenster gerannt, um nachzuschauen. Hat es geschneit? Waren die Dächer auch nur einen Hauch puderzuckerweiß, habe ich gejubelt. Schnee ist bis heute mein schönstes Wetter.

Und eine meiner liebsten Wintererinnerungen ist das mannshohe Schneeiglu das wir mit Hilfe unseres Vaters gebaut hatten. Mein Bruder und ich haben Stunden darin verbracht. Wenn es schneit, sieht die Welt auf einmal anders aus. Riecht anders. Und hört sich anders an. Auf allem liegt eine besondere Stille. Verheißungsvoll. Und friedlich. Solche „Schneemomente“ sind etwas ganz besonderes, finde ich. – Und der amerikanische Dichter Walt Whitman hat das wohl auch gefunden. Er hat mal geschrieben.
„Im letzten Winter sah ich den Schnee beim Bummeln mit dem Nordwestwind;
Und er holte mich aus der Unzufriedenheit über Zäune und eingebildete Grenzen.“

Auch ein Schneemoment der besonderen Art. Schnee hat einen eigenen Zauber. Einen, der einen ganz anderen Blick auf die Welt ermöglicht. Der einen aus dem eingefahrenen Trott rausholen kann. Wenn man feststeckt. Im Jahresendspurtwahnsinn. Im Schnell-noch-tausend-Geschenke-Kauf-Rausch. Im Alles-muss-perfekt-sein-Irrtum. Ein „Schneemoment“ kann helfen. Ein Moment, in dem man erkennt, dass es so viel mehr gibt, als wir vielleicht in diesem einen Moment sehen, denken und fühlen können. Ein Moment, der es uns möglich macht, die Welt in einem anderen Licht zu sehen. In dem wir den Alltagsstress zur Seite legen. Und überlegen können: Was ist eigentlich wirklich wichtig? – Schnee ist immer seltener geworden hier bei uns. Noch immer schaue ich morgens gespannt aus dem Fenster. Und wer weiß... – Aber egal, wie dieses Jahr das Wetter wird: Ich wünsche uns viele solcher Schneemomente. In denen uns plötzlich einfach zum Jubeln ist.

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