SWR2 Wort zum Tag

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Eigentlich ist es eine gute Sache: Besuche zu machen bei Bekannten, Verwandten oder Freunden, denen es gerade nicht gut geht. Gerade jetzt in der Adventszeit. Manchmal aber beschleicht mich beim Abschied ein seltsames Gefühl: War es überhaupt gut zu kommen, wenn man an der schwierigen Situation sowieso nichts ändern kann?

Zum Beispiel beim Besuch einer alten Bekannten im Pflegeheim. Sie hat sich gefreut über den Besuch und über das mitgebrachte Adventsgesteck. Sie hat nicht geklagt – nicht über das Leben im Heim, auch nicht über die körperlichen Gebrechen, die ihr immer mehr zu schaffen machen. Und trotzdem fühlt es sich seltsam an, wieder zu gehen und zu wissen: Das, was sie belastet, das bleibt. Manchmal überlege ich mir deshalb schon im Voraus, ob ich überhaupt hingehen soll. Vielleicht kennen Sie das auch.

In unserer Gemeinde gibt es einen Besuchsdienstkreis. Die Frauen und Männer, die dort mitarbeiten, erleben diese Situation öfter. Vor einiger Zeit hat eine Mitarbeiterin aus diesem Kreis an einen Bibelvers erinnert. Der hat mir geholfen, solche Besuche positiver zu sehen. Der Vers stammt aus dem Matthäusevangelium. „Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht“, sagt Christus da.

Die Geschichte erklärt, was es bedeutet, sich gut oder böse zu verhalten. Und Christus sagt zum Erstaunen der Zuhörenden, dass sie alles, was sie für bedürftige Menschen getan haben, auch für ihn, Christus, getan haben. Und da heißt es dann unter anderem: „Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht.“

Die Geschichte ist mir vertraut. Aber nie hatte ich meine Aufmerksamkeit genau auf diesen Vers gelegt: „Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht.“ Mehr nicht. Da steht nicht: ihr habt mich getröstet, ihr habt meine Schmerzen gelindert, ihr habt mich geheilt… Sondern einfach nur: Ihr habt mich besucht.

Es ist wahr: Ein Besuch löst die Probleme des Besuchten meist nicht. Und doch, das habe ich aus diesem Bibelvers verstanden, ist jeder Besuch wertvoll und wichtig. Weil er zeigt: Ich bin da. Ich habe dich nicht vergessen. Du liegst mir am Herzen. Und ich teile – wenn auch nur für kurze Zeit – deine Sorgen.

Mir auf jeden Fall macht dieser Gedanke Mut. Mut, mich immer mal wieder auf den Weg zu machen – auch dorthin, wo ich äußerlich nichts verbessern kann und wo ich vielleicht auch vorher gar nicht recht weiß, was ich dort tun soll.

„Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht.“ Vielleicht ermutigt der Gedanke ja auch Sie, mal wieder zu Besuch zu kommen, jetzt im Advent. Oder sich darauf zu freuen, dass jemand Sie besucht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27763
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