SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Unsere kleinen Söhne haben zwar beide ein eigenes Bett, aber meistens läuft es so: Mitten in der Nacht will der größere mit Mama kuscheln. Und gegen Ende der Nacht fühlt sich der Kleine so allein, dass er auch noch dazukommt. Das Ende vom Lied ist, dass sich die Nächte für mich gerade ziemlich unruhig und eng anfühlen.

 

Wenn ich dann so daliege, eingequetscht zwischen Tom und Bettrand, dann starre ich an die Decke und versuche von ruhigeren Zeiten zu träumen. Und auf einmal merke ich, dass ich umgeben bin von einer wahren Symphonie des Ein- und Ausatmens. Ich identifiziere die drei Atem-Stimmen, und entdecke, dass in jedem Atmen auch etwas von der Persönlichkeit mitschwingt.

Da ist das schwere Atmen meiner Frau. Zurzeit muss sie tagsüber echt viel leisten. Bei aller Freude über die Kinder - es ist auch anstrengend. Den Kleinen zum Kindergarten fahren, den Großen von der Schule abholen, dazwischen einkaufen, Frieden stiften, Berge von Wäsche bewältigen und trösten.

Darüber legt sich das schnelle und hoch klingende Atmen von Tom. Tagsüber gibt es im Waldkindergarten so viel Aufregendes zu entdecken. Sie suchen Kastanien, hören Geschichten, oder schleichen durchs Unterholz.

Fred scheint nachts die Schule zu verarbeiten. Sein Atem geht unruhig, manchmal mischen sich ein Seufzer oder undeutliche Worte dazwischen. Die Schule formt ihn, und sie fordert, und das ist dem Atmen anzuhören.

Und dann ist da noch eine Atem-Stimme – meine eigene. Fast hätte ich sie überhört, weil ich so auf die anderen konzentriert war. Auch das ist typisch. Als Eltern müssen wir aufpassen, dass wir vor lauter Sorge um die Kinder die eigenen Bedürfnisse nicht überhören.

Atem heißt in der Sprache des Alten Testaments „Ruach“. Interessant finde ich, dass mit dem gleichen Wort „Ruach“ auch der Geist Gottes bezeichnet wird. Wenn Gott handelt, dann immer durch seinen Geist, durch die „Ruach“. Sie macht uns Menschen lebendig und bewegt uns – eigentlich genau wie der Atem.

Ich finde das ist ein schönes Bild. Durch mein Atmen bin ich lebendig und Gott ist lebendig in mir. Und da alle Menschen atmen ist auch Gott in allen Menschen – egal ob Hindu oder Muslim, ob Jude oder Christ, egal ob Mann oder Frau, ob Kind oder Greis. Gott ist in uns vom ersten bis zum letzten Atemzug. Und so eben auch in mir und meiner ganzen Familie, jeden Tag und jede Nacht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27660
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