SWR2 Wort zum Tag

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Manchmal sterben Pläne, Lebensentwürfe, scheitern wohlvorbereitete Vorhaben. Da reicht eine ärztliche Diagnose. Oder ein Anruf aus der Firma. Oder ein Brief. Und alles ist anders. Die Spötter sind dann nicht fern. Möglicherweise am schlimmsten die Spötter im eigenen Kopf: Warum hast du nicht eher, warum wolltest du überhaupt, wieso konnte es soweit kommen?

So kann es geschehen im privaten Universum und zugleich in der weiten, grausamen Welt. Die, jede Woche, neue Katastrophen gebiert und Menschen sterben lässt. Die Spötter sagen dann: Wo ist da dein Gott? Du taumelst doch nur, verloren, durch die Zeit. Gemeinsam mit dieser verlorenen Erde.

Ja, es mag sein, wir taumeln, und das ist ja nur angemessen, wenn einem die Trauer in die Glieder fährt, wenn einen der Einsatz für eine gerechte Welt erschöpft zurückfallen lässt, wenn einen der Schrecken der Welt aus der Bahn wirft. Doch verloren sind wir Menschen nicht. Das glaube ich. Immer noch.

Alte Bilder, von denen Jesus erzählt hat, kommen mir in den Sinn. Das Bild vom Hirten etwa, der sein verlorenes Schaf sucht, voller Geduld, bis zu dem Moment, an dem er es gefunden hat und in den Arm nimmt, voller Freude. Gott hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, heißt es in der Bibel. Diese Worte tun mir gut. Ich stelle mir vor, wie Gott sich auf die Suche macht und Menschen findet, auch wenn sie sich in ihrer Trauer ganz verloren gegangen sind, auch wenn sie keine Hoffnung mehr haben und nicht mehr daran glauben mögen, dass die Gerechtigkeit einmal zu Wort kommen wird und dass eine Welt kommen wird, in der Gerechtigkeit wohnt. Gott macht sich auf die Suche, voller Geduld.

Ich glaube: Wenn er sich so geduldig auf die Suche macht, dann kann, mitten in der Katastrophe, mitten in allem, was über dem Kopf zusammenschlagen will, ein Schutzraum entstehen. Ein Schutzraum, in dem Menschen Atem schöpfen können und Hoffnung. Ein Schutzraum der sich öffnet, gerade wenn wir ihn am nötigsten brauchen. Ein Raum, in dem Menschen sich selbst entdecken und die Erinnerung bewahren an die, um die sie trauern.

Mag sein, dass es einem, mitten in der Trauer, noch ganz absurd vorkommt. Aber viele Menschen berichten, dass sie diesen sicheren Ort gefunden haben, und dass das Freude gespendet hat, trotz und mit aller Trauer. Diese Menschen erzählen, dass sie so auch die geliebten Menschen finden konnten. Sie sind nicht mehr leiblich da und doch haben sie ihren Ort und Platz. Auch sie sind gefunden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27599
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