SWR2 Wort zum Tag

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Manchmal ist mein europäischer Horizont einfach nicht weit genug. Das ist mir klar geworden an den Friedensnobel-preisträgern 2018: Nadia Murad und Denis Mukwege.

Sie, die junge jesidische Frau aus dem nördlichen Irak hat Unvorstellbares erlitten. Durch Männer des IS. Inzwischen ist sie frei. Sie kämpft mit großer Kraft dafür, dass auch ich als Mann aus Europa sehe, was ihr und ihrem Volk angetan wurde. Und wird. Der andere Preisträger ist Denis Mukwege, der Arzt aus dem Kongo. Er behandelt geschändete Frauen und versucht, ihre seelischen und körperlichen Wunden zu heilen. Nadia Murad und Denis Mukwege: Die Friedensnobelpreise 2018 gehen nach Asien und Afrika.

Durch beide ist mir klar geworden wie eng mein Bild von Asien und Afrika oft ist. Vor allem das von Afrika: Wenn ich von afrikanischen Ländern höre: „Ägypten, Marokko, Kongo, Kenia, Kamerun, Simbabwe, Südafrika.“ Dann tauchen bei mir Nachrichtenbilder auf und ich denke: „Krisen, politische Verwerfungen oder noch Schlimmeres.“ Dabei weiß ich doch: Nachrichten beschreiben Wirklichkeit nicht umfassend. Sie zeigen nicht das unaufregend Normale, sondern fokussieren auf das aufregend Besondere. Vor allem auf Krisen.

Zu den Krisenbildern Afrikas treten dann zwar auch andere hinzu: Touristische Highlights. Hochkulturen der Vergangenheit, einzigartige Natur, Afrika Wiege der Menschheit. Aber wenn ich ehrlich bin: „Afrika“ ist für mich zuvorderst eine Krisenwelt.

Wie kommt man weiter, wenn man ahnt, das kann doch nicht alles sein? Hinfahren, auf jeden Fall hinhören. Den Menschen zuhören, von denen ich ein zu enges Bild habe. Zum Beispiel Denis Mukwege, dem Friedensnobelpreisträger. Was er sagt, spricht mich an und berührt mich dreifach: Als Mann, als Europäer und als Christ:

"Wenn wir zu Christus gehören“, sagt Mukwege, „haben wir keine Wahl. Dann müssen wir an der Seite der Schwachen sein, an der Seite der Verwundeten, der Flüchtlinge und der Frauen, die diskriminiert werden."

Wer zu Christus gehört, muss den Mund aufmachen und das Böse verurteilen.  Gott hat der Kirche die Sprache geschenkt, sagt er, damit sie die Stimme der Stummen ist. Damit sie die Gefangenen befreit und immer nach dem Reich Gottes Ausschau hält. Eine frauenfeindliche Theologie, die einen geringeren Status der Frau gegenüber dem Mann betont, muss ersetzt werden durch eine Theologie der Wertschätzung von Frauen, sagt Denis Mukwege, Nobelpreisträger 2018 aus Afrika. Er sagt es auch zu mir.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27595
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