SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Ich kenne keinen der gerne wartet. Ich jedenfalls nicht. Dieses erzwungene Stillhalten im Wartezimmer beim Arzt oder Warteschlangen an Supermarktkassen machen mich ganz unruhig. Warten ist Zeitverschwendung. Warten ist komplett überflüssig.

Und trotzdem: ich habe mich für zwei Wochen in einem Kloster entschieden. Ein Kloster von einer Mauer umgeben, mitten in einem Wald. Kein Internet, kein Handyempfang. Stattdessen: Ruhe und sehr viel freie Zeit.

Und die ersten Tage waren nicht schön, ich war unruhig, wusste nichts mit mir anzufangen, habe mich gefragt, was um alles in der Welt mich in dieses Klosterabenteuer verschlagen hat. Wobei Abenteuer… da war ja nichts, außer viel zu viel Zeit. Und mir kamen ganz viele Gedanken: dies musst Du noch machen und jenen unbedingt anrufen und das auf jeden Fall regeln. Ich habe angefangen, eine Liste zu machen, alles aufgeschrieben – und ganz langsam hörten die Gedanken auf. Die Stille im Kloster hat mich zuerst ganz unruhig gemacht: kein Radio, kein vorbeifahrendes Auto, keine Telefonklingel. Einfach still. Irgendwann wurde es auch in mir still, meine Gedanken kamen zur Ruhe, ich ertappte mich dabei, an nichts und niemanden zu denken. Besonders schön ist die kleine Kapelle unter dem Dach. Durch ein großes Fenster sieht man: Wald, Bäume, Tannenwipfel. Abends saß ich lange ganz allein in der Kapelle und sah, wie nach und nach der blaue Himmel dunkler wurde, sich die Nacht über die Bäume legte. Die Schönheit dieser Abende war unbeschreiblich.

Und ich muss sagen, es hat mir gut getan. Und nein, ich bin Gott nicht im Kloster begegnet, und nein, ich habe keine weltbewegende Erkenntnis über mein Leben gewonnen. Ich habe vielmehr erfahren, dass Warten sich manchmal lohnt und dass Ruhe göttlich sein kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27577
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