SWR2 Wort zum Tag

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„Tochter Zion, freue Dich“, viele kennen diese Worte und die berühmte Vertonung durch Händel. „Tochter Zion, freue dich!“ das stammt vom Propheten Sacharja, dem wir übrigens auch zu verdanken haben, dass Jesus, erwachsen geworden, auf einem Esel nach Jerusalem reitet. Sacharja prophezeit: „Tochter Zion freue dich, denn dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm, und reitet auf einem Esel.“ Weniger bekannt ist eine weitere Vision des Propheten. Er sieht auf den Plätzen der heiligen Stadt Jersusalem alte Männer und Frauen mit Stock sitzen, Jungen und Mädchen spielen um sie herum. Warum ist das eine Vision des Friedens? Weil Alte und Kinder die ersten Opfer von Unfrieden sind, auch von sozialem Unfrieden. Die einen sind noch nicht in der Lage, für sich zu sorgen, die anderen nicht mehr. Im Krieg können Erwachsene sich verteidigen, Kindern und Alten bleibt nur die Flucht oder der Tod. Bis heute sind sie unterwegs, die ganz Kleinen und die Alten, als Leidtragende kriegerischer Auseinandersetzungen, ihrer Heimat beraubt. Viele Ältere erinnern sich bis heute noch an den schrecklichen Winter 1944/45 und an ihre Flucht aus dem Osten - damals waren sie Kinder! Im friedlichen Deutschland heute ist es der soziale Unfriede, der nach dem Weihnachtsfrieden schreit. Viel zu viele alte Menschen nehmen sich das Leben, weil sie zu arm sind, um für sich selbst zu sorgen und ihren Angehörigen nicht zur Last fallen wollen. Millionen von Kindern sind im reichen Deutschland von Kinderarmut betroffen. Sie haben am weihnachtlichen Gabentisch nicht viel zu erwarten. Zeit zum Spielen? Sie haben kein Spielzeug, können nicht mithalten mit Kleidung und Ausstattung ihrer Kameraden. „Tochter Zion, freue Dich!“ Wer sich diese Zustände lebendig vor Augen hält, dem will die adventliche Freude vergehen, und ich bin froh darüber, dass viele Menschen ihre Erschütterung in Handlung umsetzen und für die Bedürftigen dieser Welt gerade in der Advents- und Weihnachtszeit tief in die Tasche greifen und spenden.
Der König, über den sich Jerusalem freut, der auf einem Esel reitet, der ist selbst arm gewesen. Er ist für alle Menschen gekommen, auch für die alten und jungen Armen dieser Welt. Er findet sich nicht ab. Zu ihm gehören deshalb die spielenden Kinder dazu und die friedlichen Alten auf den Plätzen der Stadt: Kinder, die ihre Kindheit genießen können und Alte, die in Frieden ausruhen dürfen.
Eigentlich schrecklich, dass die uralte Vision des Propheten Sacharja immer noch nicht Wirklichkeit geworden ist, auch nicht bei uns in Deutschland. Auf der anderen Seite: Niemand hat diese prophetische Stimme zum Schweigen bringen können: Zu diesem Frieden, der allen Menschen gilt, auch den Schwachen und Kleinen, zu dem sind wir alle unterwegs. Tochter Zion, freue dich!
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