SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

17DEZ2007
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Meine Freundin fliegt in Urlaub, mit der ganzen Familie auf die Kanarischen Inseln. Wann geht´s denn los? frage ich. Im Januar, sagt sie. Erst habe ich ja überlegt, im Dezember zu fliegen. Aber dann war mir klar: Im Advent möchte ich nicht weg. Mit den Kindern Plätzchen backen, diese besondere Stimmung auf den Weihnachtsmärkten, die Geschichten miteinander lesen, die einfach nur in diese Zeit passen, die Kerzen auf dem Adventskranz anzünden, Adventslieder singen - all das wäre für sie auf La Gomera nur schwer möglich.
Meine Freundin hat mir wieder klar gemacht: Jeder Advent ist einzigartig. Und so wie wir ihn hier feiern, kann er weder exportiert noch nachgeholt werden. Für mich passen sie einfach nicht: die Kerzen auf Agarven und Plastikweihnachtsbäume bei 30 Grad im Schatten. Wer weiß, ob mein Kind nächstes Jahr noch Lust hat, mit mir Plätzchen zu backen und vor dem Adventskranz Geschichten anzuhören? Mit den Liedern hat er schon seit einiger Zeit nichts mehr am Hut. Dabei bin ich mir fast sicher: Wenn er einmal Kinder hat, wird er den Advent auf seine Art mit ihnen gestalten und wieder die schönen Adventslieder mit ihnen singen. Auch darum geht es, in jedem Advent, eine wunderbare Tradition weiterzugeben. Denn es ist ja kein leerer Brauch, sondern eine Überlieferung, die seit hunderten von Jahren vererbt wird: Auf Gott zu warten, mit allen Sinnen, und die Zeit dieses Wartens besonders zu gestalten. Ich weiß: Gott ist uns das ganze Jahr nahe. Aber im Advent warte ich in einmaliger Weise darauf, dass er mir nahe kommt. Hörend, schmeckend, sehend, fühlend stelle ich mich auf ihn ein. Deshalb sind der Duft der Plätzchen und Kerzen, der Klang der Lieder, der Geschmack der besonderen Speisen dieser Zeit mehr als Töne und Nahrung. Mein ganzer Mensch will sich einstellen auf Gott. Und ich warte nicht alleine, das hilft mir und tut mir gut! Mag sein, für andere ist der Bezug zu Gott in der Adventszeit verloren gegangen. Doch noch die leuchtenden Gesichter der Menschen, die sich einfach so am Lichterglanz erfreuen, die Begeisterung der Kinder an Lebkuchen und roten Zuckeräpfeln tragen dazu bei, mein Herz zu öffnen. Andere warten mit mir, manchmal, ohne dass sie wissen worauf sie warten: Auf unseren liebevollen Gott, der für uns alle geboren worden ist. Spätestens, wenn die Glocken der Kirchen den Advent einläuten, weiß ich: Es ist einfach schön, hier in Deutschland Advent zu feiern.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2753
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