SWR2 Wort zum Tag

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Heute vor 80 Jahren brannten in Deutschland die Synagogen. In der Nacht vom 9. auf den 10. November waren nationalsozialistische Kampfverbände von SA und SS mit härtester Brutalität gegen jüdische Mitbürger vorgegangen. Jüdische Geschäfte wurden geplündert und Juden in ihren Häusern überfallen. Ein jüdischer Zeitzeuge erinnert sich:

„Als ich am 10. November morgens ins Geschäft fuhr, führte mein Weg an der Synagoge vorbei, deren Kuppel in lichterlohen Flammen stand. Der Schreck ging mir durch Mark und Bein. Eine große Menschenmenge stand schweigend davor. Erst in der Fabrik erfuhr ich, dass in der Stadt sämtliche jüdischen Geschäfte vollständig demoliert worden sind. Auch viele Wohnungen waren in schrecklichster Weise zerstört worden. Man hatte die Möbel mit der Axt zu Kleinholz zerschlagen, Vorhänge und Bilder zerschnitten, ebenso Wäsche und Bettzeug. Alles Porzellan wurde zerschlagen.“

Der jüdische Ingenieur Hans Berger aus Wiesbaden hat seine Erinnerungen an jene Schreckensnacht später niedergeschrieben – um die Geschehnisse dem Vergessen zu entreißen, nachfolgenden Generationen zur Mahnung. Berger selbst wurde am 11. November in seinem Büro festgenommen und in ein Wiesbadener Gefängnis gebracht.

Es ist zynisch, diese Schreckensnacht „Reichskristallnacht“ zu nennen. In jener Nacht ging es nicht um die Zerschlagung von Kristall oder Porzellan. Die Bilanz dieses grausamen Pogroms in Deutschland weist 100 niedergebrannte Synagogen und 700 zerstörte jüdische Geschäfte aus. Der Sachschaden ging in die Millionen. Vor allem aber wurden 91 Juden im Auftrag des Staates ermordet und Tausende misshandelt.

Keine Nacht, über die man gedankenlos hinweg gehen kann. Und keineswegs ein Thema der Vergangenheit. Der Anschlag auf die Synagoge in Pittsburgh zeigt an, wo wir heute politisch stehen. Es ist zu einfach, dies als Tat eines einzelnen Rechtsradikalen abzutun. Das politische Klima ist durch die Hassrhetorik des amerikanischen Präsidenten längst vergiftet. Und es ist vergiftet auch hierzulande.

Wenn uns die Erinnerung an die Reichspogromnacht etwas lehren kann, dann dies, dass Vorurteile, Feindschaft und Hassparolen gegenüber Minderheiten enden müssen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27521
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