SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Gegessen hat sie schon immer gerne. Am liebsten mehrgängige Menüs, bei denen viel Besteck um die Teller herum angeordnet ist. Damit man weiß, dass da noch was kommt. Bis zuletzt hat sie gerne gegessen. Obwohl sie da nur noch pürierte Kost zu sich nehmen konnte. Aber sobald der Duft aus der Küche durch die Wohnung gezogen ist, hat sie gefragt, was es heute gibt. Und dann mit einem Leuchten in den Augen darauf gewartet.

Sie hat gewusst, dass sie nicht mehr gesund werden würde. Ein paar Tage bevor sie gestorben ist, hat sie mit ihrer Tochter über ihre Beerdigung gesprochen. Halt, nein, sie hat nicht über ihre Beerdigung gesprochen. Sie hat über ihre Überzeugung gesprochen. Beim Sprechen hat sie manchmal Pause gemacht, weil es so anstrengend war. Viele Fragen, leise Antworten. Aber dann, plötzlich, hat die Mutter der Tochter die Hand auf den Arm gelegt und tief Luft geholt:

„Legt mir auf jeden Fall eine Gabel mit in den Sarg“, hat sie mit Nachdruck gesagt, „eine Gabel. Unbedingt.“ „Eine Gabel, Mama? Warum?“

Bei ihrer Antwort hat sie ihr Menüstrahlen in den Augen gehabt. Das Sprechen ist ihr für einen Moment leichter gefallen: „Na, du weißt doch: Immer wenn nach einem Gang noch weiteres Besteck am Platz bereit liegt, kommt noch was. Was Köstliches. Noch herrlicher als der bereits gegessene Gang.

Also: Legt mir eine Gabel in den Sarg. Der Hauptgang kommt noch. Ganz bestimmt.“

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