SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Jetzt halt doch mal still! Am ehesten sage ich so einen Satz zu zappelnden Kindern. Aber ehrlich gesagt: Zu mir könnte man das auch manchmal sagen! Die meiste Zeit habe ich sowieso so viele Dinge zu tun und zu erledigen, dass ich ständig in Aktion bin. Und wenn es dann doch mal Pausen gibt, bin ich oft gedanklich schon wieder unterwegs: Könnte ich nicht mal wieder ins Kino gehen? Sollten wir nicht schon den nächsten Urlaub planen?

Dass Stillhalten schwerfällt, scheint aber kein ganz neues Phänomen zu sein. Auch Martin Luther hat bei den Menschen seiner Zeit schon eine gewisse Ruhelosigkeit diagnostiziert. Und dabei deutlich gemacht: Mit so unruhigen Menschen hat Gott es schwer.

Gott wollte gern geben, was wir bedürfen, stellt Luther in einer Predigt fest. Aber wie sollte er das tun, wo wir doch nicht stillhalten? Mit einem Bild macht Luther es deutlich: Es ist ja genauso, sagt er, als wenn du einen Becher in Händen hättest, und begehrst, man sollte dir Wein hineingießen, und würdest ihn doch immer mit der Hand hin und her schleudern. Das würde einen Wirt böse machen, besonders wenn er dir den Wein noch schenken und kein Geld dafür nehmen wollte.

Mir ist das Bild vom Wirt und dem Weinbecher sehr eindrücklich. Ja, wie soll ich merken und annehmen und genießen können, was mir das Leben ganz umsonst schenkt, wie soll ich überhaupt in einem Moment ganz aufmerksam und präsent sein, wenn ich nicht mal innehalte?

Luthers Predigt allerdings zielt zunächst weniger auf die äußere Umtriebigkeit, sondern auf eine innere Unruhe, die uns verschließt für das, was uns geschenkt wird. Mit dem Weinbecher, der nicht stillgehalten wird, vergleicht er das Herz: Eben so ein Ding ist es auch um ein wankend, ungläubig Herz, da kann Gott nichts hineingießen, auch wenn er es gern wollte.

Ich glaube aber: Die äußere Unruhe, die ich kenne, und das wankende Herz, von dem Luther spricht, haben viel miteinander zu tun. Übersetzt man Glauben mit Vertrauen, wird der Zusammenhang klarer. Umso weniger Vertrauen ich mir selbst, Gott und der Welt entgegenbringe, desto mehr strenge ich mich an, ja alles richtig zu machen, meinen Teil abzubekommen, dabei zu sein. Und desto umtriebiger werde ich. Und merke dabei gar nicht mehr, was eigentlich auch so geht und da ist, ganz ohne Anstrengung.

Deshalb nehme ich dieses Bild von Luther gerne mit in den Tag: Gott schenkt mir voll ein. Ganz umsonst. Und wenn er das tut, sollte ich den Becher auch mal stillhalten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27503
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