SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Mundraub“ nennen sie es – und meinen, das sei erlaubt. Aber teilen, was zu viel gewachsen ist, wäre vielleicht eine gute Idee…?

Die Erntezeit war besonders früh in diesem heißen Jahr. Und in vielen Gegenden auch noch knapp. Vielleicht häufen sich auch deswegen solche Meldungen wie hier an der Mosel: da hatte jemand bei Nacht und Nebel massenhaft Wein geerntet –  und der Winzer fand mittags seinen Wingert leer, als er schauen wollte, ob seine Trauben reif sind.

Anderswo holen sich die Leute einfach Äpfel von fremden Bäumen –  gern mehr als den einen, der ja vielleicht noch gehen würde. Sie nennen es Mundraub – und meinen,  das sei eine Art Bürgerrecht. Meine Frau hat irgendwo am Radweg einen heftigen Streit erlebt. Da sammelte jemand die Nüsse auf,  die auf den Radweg und den Wiesenrand gefallen waren; und warf auch noch was in den Baum hoch,  damit mehr Nüsse runterkommen. Der Besitzer des Gartens war aber auch eher unfreundlich, als er das mitbekam...

Auf der anderen Seite werden in Europa und besonders auch in Deutschland unglaubliche Lebensmittel-Mengen weggeschmissen oder vernichtet: Datum abgelaufen; in der Ladentheke ein bisschen angedötscht. Oder erst gar nicht geerntet oder in der Vollernter-Maschine durchgefallen,  weil zu klein; oder dann von Hand aussortiert, weil zu unansehnlich…

Ja geht’s noch? Müssen wir zuschauen, wenn auf den Streuobstwiesen Äpfel und Birnen am Boden vergammeln, weil es zu viele waren wie dieses Jahr –  zu viele sogar für die Mosterei. Und weil es ja die Preise verderben würde, wenn die Leute einfach sammeln oder sogar pflücken gehen dürften?

Schon in der jüdischen Bibel gibt es dazu Regeln – die könnten eigentlich auch heute gelten. Wenn ihr bei der Ernte eine Garbe auf dem Feld vergessen habt,  dann geht nicht zurück, um sie zu holen.  Sie soll den Fremden, den Waisen und Witwen gehören. Wenn ihr die Oliven von euren Ölbäumen schüttelt,  dann sucht nicht hinterher noch die Zweige ab.  Lasst den Rest für die Fremden, die Waisen und Witwen.

Der Rest für die Armen –  das wäre eine gute Regel für die Nach-Lese auch für heute. Und tatsächlich gibt es das schon bei Kartoffel-Bauern hier bei uns: KitaGruppen oder Schulklassen dürfen die restlichen Kartoffeln  vom Acker einsammeln – da lernen sie gleich auch noch, wo die Pommes eigentlich herkommen. Paprika-Farmer in Kalifornien machen es sogar zum Event. Anmelden muss man sich sogar zum Restpaprika-Sammeln im Sun shine state. Und viele sammeln mit – für sich selbst  und damit die ganz Armen auch mal frisches Gemüse kriegen.

Das wäre eine Regel für heute, über die Bibel hinaus: Anmelden, beim Bauern oder bei der Gärtnerin nachfragen.  Und so lange es um den kleinen eigenen Bedarf geht, werden die kaum mal Nein sagen!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27440
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