SWR2 Wort zum Tag

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Sich selbst für den Größten zu halten, das ist noch nie gut ausgegangen. Vielleicht erinnern Sie sich an die Geschichte von David und Goliath in  der Bibel? Es geht um ein Duell. Auf der einen Seite steht der bis an die Zähne bewaffnete Riese Goliath. Mit großsprecherischen Reden und einer waffenstarrenden Ausrüstung fordert er die verängstigten Israeliten zum Kampf auf.

Und auf der anderen Seite: der junge und in kriegerischen Dingen völlig unerfahrene David. Bislang hat er nur die Schafe seines Vaters gehütet. Aber an Mut ist er nicht zu übertreffen. Fast zufällig war er an den Ort gekommen, wo der Riese mit höhnischen Reden und Waffengeklirr den Israeliten Angst machte. David besinnt sich nicht lange.

„Du kommst zu mir mit Schwert, Spieß und Sichelschwert“, ruft er ihm zu, „ich aber komme zu dir im Namen des Gottes, den du verhöhnt hast.“ Mit ein paar Kieselsteinen und einer Steinschleuder bringt David den Riesen zur Strecke.

Wer ist am Ende der Stärkere?, fragt die Geschichte. Und erzählt von der Kraft der Kleinen und nur vermeintlich Schwächeren. Mir fiel dazu ein Gedicht ein, das Bertolt Brecht im Exil geschrieben hat. Der weise Lehrer Laotse verlässt seine Heimat, weil die Zustände für ihn unerträglich geworden sind.

„Als er siebzig war und war gebrechlich, drängte es den Lehrer doch nach Ruh, denn die Güte war im Lande wieder einmal schwächlich, und die Bosheit nahm an Kräften wieder einmal zu. Und er gürtete den Schuh.“

Auf einem  Ochsen reitend, der von einem Jungen geführt wird, verlässt Laotse das Land. An der Grenze fragt ihn der Zöllner, was er zu verzollen habe. Der Junge antwortet: der Weise habe nichts, er habe ja immer nur gelehrt.

 „Und?“ fragt der Zöllner, „hat er was rausgekriegt?“ Die Antwort ist: „Dass das weiche Wasser in Bewegung mit der Zeit den mächtigen Stein besiegt. Du verstehst, das Harte unterliegt.“

Brecht hat in seinem Exil Mut geschöpft aus dieser Erfahrung. So wie auch die Geschichte vom kleinen David, der den großmäuligen Riesen besiegt, Mut machen will.

Übrigens war dieser David, wie sich später zeigte, kein Heiliger. Aber er hatte Größe. Seine Größe bestand darin, dass er sich selbst nicht für das Maß aller Dinge gehalten hat. Er wusste, es gibt jemand Größeren als ihn, dem er verantwortlich ist. Gott vertrauend, konnte er es selbst mit einem Riesen aufnehmen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27437
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