Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Verzichten macht frei. Eine Geschichte macht das deutlich. Da trifft ein Wanderer auf einen merkwürdigen Mann. Der hat einen riesen Karren mit Schrott bei sich und wirft völlig ungeniert Töpfe, Schrauben, Bratpfannen und alte Nägel durch die Gegend. Ehe der Wanderer Deckung suchen kann, wird er getroffen. Ein Topf knallt auf seinen Fuß, eine Schraube trifft ihn mitten ins Auge, ein Nagel bohrt sich in seinen Arm. Voller Wut sammelt der Wanderer den Schrott ein und hetzt, blutend und bepackt, dem merkwürdigen Mann hinterher. Aber er holt ihn nicht ein. Und schleppt so weiter fremden Schrott durch die Gegend.

Ich lese die Geschichte so: Ich werde oft genug von Schrott getroffen. Eine Bemerkung, die ich nicht vergessen kann. Eine Absage bei einer Bewerbung. Eine Kränkung. Und vieles davon hebe ich auf und trage es weiter durch mein Leben.

Vielen geht es ähnlich. Fast jeder Mensch sammelt Schrott auf, der ihn einmal verwundet hat. Abfällige Bemerkungen, Missachtung, Beschimpfungen, Tadel.

Ich meine, es tut gut, diesen ganzen Schrott loszuwerden. Auf ihn zu verzichten. Weil ich erst dann frei werde. Nicht so viel mit mir rumtrage. Leichter durchs Leben gehen kann. Wie das geht, den ganzen Schrott loszuwerden? Da gibt es kein besonderes Rezept. Die einen sagen: Aufschreiben, den ganzen Mist des Lebens aufschreiben. Auf ein Blatt Papier. Und dann im Wald vergraben. Symbolisch loswerden. Andere sagen: Aussprechen. Einem anderen erzählen, was ich an Schrott mit mir herumtrage. Das befreit. In der Kirche gibt’s dafür die Beichte. Das ist eine Art Schrottabladeplatz des Lebens. Da kann ich loswerden, was mich verletzt und bedrückt.

Egal, welche Methode ich wähle. Alle zielen auf das eine: Frei zu werden von Ballast und dem, was mich niederdrückt und beschwert. Das ist ein Verzichten, das frei macht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27430
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