SWR2 Wort zum Tag

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„Gestern traf ich einen adventlosen Menschen. Der wusste alles, der hatte alles, der brauchte nichts mehr. Er zeigte mir seinen Terminkalender. Da war schon weithin alles verplant.“ So fängt ein Text des Dichters Wilhelm Willms an.
Ein adventloser Mensch: Was soll das sein? Advent kommt vom lateinischen Wort »adventus«, Ankunft. Advent ist also die Zeit der Erwartung, der Hoffnung, dass da etwas kommt, der Hoffnung, dass die Gegenwart nicht alles ist. Nicht umsonst beginnt das neue Kirchenjahr am ersten Advent. Doch tatsächlich wird die Adventszeit häufig durch Hektik und Dauer-Stress bestimmt. Ein Termin jagt den anderen: Weihnachtsfeiern und Krippenspiele, Bastelabende und Chorproben. Genau das nimmt Wilhelm Willms in den Blick, wenn er vom verplanten, adventlosen Menschen spricht. Er bekommt selbst mitten im Advent nichts von dem eigentlichen Geist dieser Zeit mit.
Ein Typ, der mir gar nicht so unbekannt vorkommt. Ich erlebe das ähnlich – und sicher viele andere auch. Der Terminkalender ist voll, nichts darf dazwischen kommen. Für Krankheit – keine Zeit. Für echte Wünsche – keinen Kopf. Für die Not anderer – kein Platz.
Der Advent will ein Kontrastbild dazu liefern. Advent: Das ist vor allem eine Zeit der Überraschung. Die Zeit der Menschen, die offen sind für das Ungeplante. Die Zeit, neue Wege auszuprobieren. Davon erzählt auch die Bibel. Sie kennt die Sterndeuter, weise Männer, die einen Stern entdecken, alles stehen und liegen lassen und losziehen. Sie kennt eine Frau, Maria, die ganz unverhofft zu einem Kind kommt und sich darauf einlässt.
Advent ist also nicht Hektik und Stress, sondern ein Name für die Kunst, sich überraschen zu lassen. Das heißt auch: Sich nicht von Beruf und Karriere, von Geschenke-Hatz und Plätzchen-Backen auffressen zu lassen. Sicher, das ist nicht leicht. Aber die Sterndeuter oder Maria machen Mut, sich auf den Advent einzulassen. Auch, weil sie dafür belohnt werden. Damit haben sie zwar nicht gerechnet. Aber auch das gehört zum Advent: Unverhofft belohnt zu werden, nicht mit Geld oder Ansehen, sondern mit neuem Leben, mit neuer Hoffnung, mit einem Ziel. Auch das macht adventliche Menschen aus: Sie halten plötzlich, ohne dass sie es geplant hätten, einen Zipfel des Glücks in ihren Händen, spüren, dass die Welt mehr bereithalten kann als Termine und Stress, spüren, dass Leben immer wieder neu beginnen kann. Jeden Tag.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2743
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