SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Der Herbst ist voller Widersprüche. Im Herbst verfärben sich die Blätter, zeigen eine ganze Farbpalette von grün über gelb und orange bis hin zu rot. Es ist wunderschön. Kastanien, Eicheln, Nüsse und Bucheckern fallen von den Bäumen. Es raschelt beim Spazierengehen, es knistert und es riecht ganz wunderbar. Ich mag das. Ich schaue mir gerne den herbstlichen Wald an und erfreue mich an der blättrigen Farbenvielfalt.

Aber merkwürdig: ist das Laub nicht gerade dann am Schönsten, wenn es abfällt und vergeht? Das Herbstlaub macht sich gerade dann schön, wenn es sterben muss. Das bunte Laub fällt von den Bäumen, bleibt auf der Erde liegen und vergeht. Es zerfällt und wird wieder zu Erde. Es ist ein langsamer Prozess, der seine Zeit braucht. Das Laub wird Humus, neue, gute Erde, die anderen Pflanzen hilft zu leben.

Das Alte ist vergangen. Siehe, ich mache alles neu. So kann ich mit alten biblischen Worten das beschreiben, was ich sehe. Es besteht also Hoffnung auf etwas Neues. Aber damit das Neue entstehen kann, muss das Alte vergehen. Das ist widersprüchlich und logisch zugleich. Und völlig alltäglich. In der Natur zu beobachten und rational zu analysieren. Aber ich erlebe es auch. Ich gehe durch den Wald, sehe die bunte Vielfalt, höre die Blätter fallen, rieche den Herbst, spüre die Vergänglichkeit und merke, dass das alles seine Zeit hat. Es braucht den Herbst. Und es braucht das Absterben der Blätter, damit wieder etwas Neues entstehen kann.

Und ich merke es auch in meinem Leben: das Widersprüchliche gehört zusammen. Es gibt Tage, an denen ich froh und zugleich traurig bin. Traurig, weil in meinem Leben schon Kontakte zu Freunden abgebrochen sind, weil wir uns auseinander gelebt haben. Wir haben uns verändert. Und durch diese Veränderungen haben andere Menschen Platz in meinem Leben gefunden. Neue Freundschaften sind entstanden. Freundschaften, die mir jetzt gut tun, an denen ich mich freue. Das gehört zusammen, auch wenn es manchmal weh tut. Altes vergeht, aber daraus kann etwas Neues entstehen.
Auch zu meinem Leben gehört der Herbst. Aber eben nicht nur der Herbst.

 

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