SWR3 Gedanken

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Raps stinkt. Das finde ich zumindest. Aber jetzt im Herbst denke ich manchmal zurück an den Sommer. Als ich an den Rapsfeldern vorbeigekommen bin. Irgendwie fehlen mir die strahlend gelben Felder im braun-grau-dusteren Herbst. Und im Sommer hatte ich mich noch gefreut, als ich an ihnen vorbei war. Einfach weil Raps für mich stinkt.

Aber muss etwas perfekt sein, damit es mir gefällt? Denn bei den meisten Dingen gibt es einen Haken. Nichts ist einfach nur perfekt. Bei den Rapsfeldern zum Beispiel: Das für mich perfekte, also geruchlose Rapsfeld, das gibt es nicht. Und wenn es das gäbe, dann würde anderen vielleicht der Geruch fehlen. Und was ist, wenn jemand anderes den Geruch mag – die Farbe aber nicht? „Irgendwas ist immer.“

Und das ist bei uns Menschen ja auch so: „Irgendwas ist immer“. Jeder Mensch hat irgendeine Macke. Ich auch. Manche meiner Macken kenne ich. Andere noch nicht. An manchen kann ich arbeiten. Bei anderen Macken geht das nicht so leicht. Aber mich deswegen verkriechen, das wäre ja auch keine Lösung. Macken sind nichts, wofür man sich schämen muss. Nichts und niemand ist perfekt. Und trotzdem ist man liebenswert.

Bei Menschen hilft es, wenn man sich klar macht, was man an ihnen besonders mag. Wenn ich weiß, wie schön Inges Lachen ist, dann ist es mir gar nicht mehr so wichtig, dass sie zu viel redet. Wer einmal gehört hat, wie gut Jakob singen kann, der kommt leichter damit klar, dass er immer zu spät kommt. Ich kann mich über das ärgern, was mir nicht passt. Aber es ist doch viel besser, wenn ich mich über das freue, was mir gefällt.

So wie bei den Rapsfeldern. Wenn die gelb strahlen, das ist wunderschön. Und ich freue mich jetzt schon darauf, wenn ich es nächstes Jahr wieder sehen kann. Vielleicht gelingt es mir dann ja auch, etwas weniger auf den Geruch zu achten. Denn wer so schön leuchtet, der darf auch stinken.

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