SWR2 Wort zum Tag

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„Glaubt ihr denn, dass der liebe Gott katholisch ist?“ Einer meiner Lieblingsgedanken von Georg Christoph Lichtenberg. Mein Lieblingsgedanke, denn man ergänzt ja im Stillen sofort: „Glaubt ihr denn, dass der liebe Gott evangelisch ist? Glaub ihr denn, dass der liebe Gott muslimisch oder jüdisch ist? Oder glaubt ihr etwa, dass er Atheist ist oder tot?“ Doch nicht wirklich. Denn all diese Zuschreibungen machen aus ihm etwas anderes als Gott.

Lichtenberg, von dem dieser Satz ist, wurde geboren als das 17. Kind eines protestantischen Pfarrers im Jahre 1742 in Darmstadt. Seine Zeitgenossen beschrieben ihn als einen „unansehnlichen Mann, klein, (nur 144 groß), höckericht, krumm an Füßen, mit einem sehr dicken Kopf.“ Er war auf Grund einer Krankheit von Kindheit an behindert. Doch Lichtenberg wurde der lebendige Beweis dafür, dass in einem kranken Körper ein Geist wohnen kann, der sehr viel gesünder und klarer ist als der von nichtbehinderten Zeitgenossen.

Er studierte Mathematik und Naturwissenschaften, war Professor für Experimentalphysik und Philosophie, ein Mann der Wissenschaft – und  immer wieder fasziniert von dem, was in Menschenseelen vor sich geht. Auch und gerade in Hinblick auf die Religion. “Ist es nicht sonderbar, dass die Menschen so gerne für die Religion fechten, und so ungern nach ihren Vorschriften leben?“ Klar, die Feinde lieben, ist schwer, sie totzuschlagen scheint dagegen oft nähliegender und einfacher. Lichtenberg ahnte, dass einmal eine Zeit kommt, in der viele von sich sagen, sie glauben eigentlich an nichts mehr. Und so schrieb er, der Mann der Wissenschaft: „Bei den meisten Menschen gründet sich der Unglaube in einer Sache auf blinden Glauben in einer andern.“ Darum wohl hat sich Lichtenberg Zeit seines Lebens einen Glauben bewahrt, den nämlich, „dass die Lehre Christi, gesäubert von dem verfluchten Pfaffengeschmier, und gehörig nach unserer Art sich auszudrücken verstanden, das vollkommenste System ist, Ruhe und Glückseligkeit in der Welt am schnellsten, kräftigsten, sichersten und allgemeinsten zu befördern.“  Ruhe, Friede und Glückseligkeit in der Welt – wenn Glaube darauf zielt, ist es wirklich egal, ob er evangelisch, katholisch oder irgendetwas anderes ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27383
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