SWR4 Abendgedanken

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„Gesundheit darf nicht zur Ware werden“ das hat Papst Benedikt schon vor ein paar Jahren gesagt. Und auch Papst Franziskus hat ziemlich deutliche Worte gefunden: Er spricht von einer „Wegwerfkultur“ im Gesundheitswesen und warnt vor „Spekulationen“ mit dem Leid kranker Menschen. Die Situation ist ziemlich komplex, lässt sich wohl nicht so einfach lösen. Dass auch das Gesundheitswesen unter dem Diktat der Wirtschaftlichkeit steht ist allerdings längst Tatsache. Wer schon einmal in einer Klinik war weiß, wie prekär die Lage ist. Und zwar für alle, für Patienten wie das Klinikpersonal. Immer mehr Kliniken werden geschlossen, Ärzte und Pflegekräfte sind völlig überlastet. Und bei jeder Nachricht über folgenschwere Zwischenfälle in Kliniken stellt sich doch die Frage von Neuem: wer oder was war schuld? Wie konnte das passieren? Liegt der Fehler im System? War die Überlastungssituation schuld? Und ganz grundsätzlich: müssen wir unsere Haltung in Sachen Gesundheit nicht überdenken?

Vor einiger Zeit habe ich von einer Geschichte erfahren. Sie ist hier in einer Klinik im Land passiert ist. Ich war schockiert über das, was ich gehört hatte - und zugleich sehr beeindruckt:

Es war kurz vor Weihnachten. Die Schwestern und Pfleger einer Station hatten das ganze Jahr über teils bis zur Erschöpfung gearbeitet. Dafür wollte sich der Pflegedienstleiter bei ihnen bedanken. Er wusste: Die Kollegen hatten Mehrfachschichten ohne Pause gefahren und das Familienleben oft über die Grenzen strapaziert. Der Leiter der Station hat deshalb das Gespräch mit der Geschäftsführung gesucht. Er hat um eine kleine finanzielle Anerkennung für den Einsatz seines Teams gebeten. Vielleicht ein Zuschuss zum Weihnachtsgeld. Aber: von wegen! Er ist vom Geschäftsführer ziemlich barsch zurückgewiesen worden:  Dessen Antwort lautete in etwa so: „Dieser Einsatz ist normal, darauf braucht sich niemand etwas einzubilden“. Und er legte sogar noch nach: „wenn es den Angestellten nicht passt, dann können sie ja gehen. Ich finde unter der nächsten Brücke mindestens zehn von ihnen“!

Diese Antwort, all die Frustration und Erschöpfung des Pflegepersonals hatte dann diese Reaktion zur Folge:

Ende des Jahres hat der Pflegedienstleiter noch einmal Kontakt mit dem Geschäftsführer der Klinik aufgenommen. Er ließ sich einen Termin geben und betrat dessen Büro mit einem Briefumschlag in der Hand. Darin waren zehn Kündigungen von Beschäftigten seiner Station. Mit folgenden Worten hat er den Umschlag übergeben und sich dann verabschiedet: „Unter der nächsten Brücke finden Sie sicher zehn von uns.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27375
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