Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ich bin am Mittelmeer gewesen. Wir haben Urlaub gemacht. In Südfrankreich. Goldener Oktober. Es war schön aus dem Alltag raus zu kommen. Aber ich habe gemerkt: Wenn ich auf das Wasser schaue, dann werde ich traurig. Ich habe so viele Bilder in meinem Kopf: Boote voller Menschen, die hilflos in den Wellen treiben. Ich denke an die vielen, die in diesem Meer ertrunken sind. Immer noch ertrinken. Ich denke an Zahlen und ich sehe Menschen vor mir. Junge Männer, Frauen, Kinder. Wie verrückt ist die Welt: hier ist das Meer Sehnsuchtsort und Urlaubsparadies – dort tödliche Bedrohung.

Es gibt auch in der Bibel eine Geschichte in der erzählt wird, wie Menschen über das Meer fliehen. Damals sind die Israeliten aus Ägypten geflohen. Es wird erzählt: Die Ägypter haben sie verfolgt. Bis zum Meer. Die Lage schien ausweglos doch dann hat sich das Meer auf wundersame Weise geteilt. Trockenen Fußes und ohne Verluste sind die Israeliten ans andere Ufer gekommen. Gerettet. In Sicherheit. Mirijam soll eine von Ihnen gewesen sein. Von Ihr ist ein Lied überliefert. „Meine Stärke und mein Lied ist Gott, er ist für mich zur Rettung geworden.“  Es ist ein Flüchtlingslied. Ich sehe Mirijam unter den Geretteten. Auf Bildern wird sie oft mit einer Pauke in der Hand dargestellt. Es muss ein lautes Lied gewesen sein. Alle sollten es hören: Die Flucht ist gelungen. Sicher sind die Menschen durch das Meer gekommen. Die Freude ist überwältigend. Und ich wünsche mir: Ach, wäre dieses Lied doch auch heute hörbar. An den Stränden des Mittelmeers.

Ich weiß, das Mittelmeer wird sich nicht auf wundersame Weise teilen. Es wird keine Schneise geben von Nordafrika bis Europa, auf der man trockenen Fußes in Sicherheit gelangt. Aber ich finde Mirijam und ihr Lied verpflichten mich dazu: Ich möchte alles dafür tun, dass Menschen auch das Mittelmeer sicher überqueren können. Dass die, die fliehen müssen gerettet werden. Auch wenn ich nicht selbst vor Ort helfen kann: ich kann die spenden für Organisationen, die das tun. Und ich kann hier immer weiter darüber sprechen: Sich für die einzusetzen, die Hilfe brauchen ist keine Frage der politischen Gesinnung – es ist eine Pflicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27369
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