SWR3 Gedanken

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Jan ist blind. Das war nicht immer so. Erst seit einer Operation wegen eines Tumors. Seit neun Jahren wohnt er mit seiner Frau Anne in unserem Haus. Seitdem wohnt auch Fred mit seinen Eltern dort. Fred ist neun. Beim Hausfest sitzen wir alle zusammen. Da erzählt uns Jan von seinem „Schlüsselerlebnis“ mit Fred:

„Nach dieser blöden OP. Da ist was schiefgegangen. Ich habe mein Augenlicht verloren. Als Anne und ich an einem Nachmittag unten in der Tiefgarage aus dem Auto gestiegen sind, haben wir Freds Eltern getroffen. Die beiden sind auf uns zu gekommen. Peter hat meine Hand genommen und gesagt: „Jan, ich habe gerade meine Frau und unseren neuen Erdenbürger aus dem Krankenhaus abgeholt.“ „Und dann hat Peter meine Hand genommen und sie über die Wange des kleinen Fred gestreichelt. Es ist ihm völlig egal gewesen, ob meine Hände gewaschen waren oder nicht. Er hat meine Hand genommen, so dass ich das Gesicht des Kindes und die kleinen Hände ertasten und fühlen konnte. Ich kann nicht beschreiben, was das für ein Moment für mich war.“

Am Tisch ist es muxmäuschenstill. Jan erzählt weiter: „Nach diesem Erlebnis habe ich beschlossen, das Beste aus meiner Situation zu machen. Ich wollte niemandem, zur Last fallen, vor allem Anne nicht. Also habe ich mein Schicksal in die Hand genommen. Natürlich mit Hilfe. Wie schlimm es ist, nicht mehr sehen zu können, dass kann sich ja jeder denken.“

Ich bekomme Gänsehaut. Ich bin so beeindruckt davon, welche Lebensfreude Jan ausstrahlt und wie er es hinbekommen hat, neu „sehen“ zu lernen. Jan ist fest davon überzeugt, dass diese allererste Begegnung mit Fred ihm die Augen neu geöffnet hat.

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