SWR3 Gedanken

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Ulla und ich trinken einen Kaffee. Ich bin neugierig: „(Und jetzt) erzähl doch mal, wie geht’s dir?“ Ulla holt Luft. „Du, gut soweit.“, antwortet sie heiter. „Viel los. Aber alles gut.“ Sie lächelt. Ich stehe auf, weil ich die Milch für unseren Kaffee vergessen habe. Als ich wiederkomme sieht Ulla gar nicht mehr heiter aus. Mit Tränen in den Augen sagt sie: „Es ist überhaupt nichts in Ordnung.“ Sie starrt auf ihren Kaffeebecher.

„Den Kindern gerecht werden, bei der Arbeit vorankommen, den Haushalt in Ordnung halten, was für mich tun. Dann noch die Schwiegereltern, die immer reinreden. Es ist einfach alles blöd grad. Ich bin unzufrieden.“

Situationen wie diese kenne ich: Ulla will es allen recht machen und stößt dadurch an ihre Grenzen.

Die Theologin Melanie Wolfers schreibt über solche Grenzerfahrungen: „Deine Grenzen sind nicht nur dafür da, dass du sie ausweitest, sondern manche Grenzen sind dafür da, dass du in ihnen in Frieden leben kannst. Und da ist mir das alte deutsche Wort für Grenze lieb geworden: Umfriedung. Eine Grenze markiert den Lebensraum, innerhalb dessen ich in Frieden leben kann.“

Dieses Zitat verstehe ich so: An meine Grenzen zu stoßen, ist nichts Schlimmes. Sie auszuloten und kennen zu lernen, hilft mir dabei, mich besser einschätzen zu können. Ich bin, genau wie Ulla, keine Superheldin, die immer alles schafft, was sie sich vorgenommen hat. Wenn es mir gelingt, das zu akzeptieren und nicht ständig über mein Limit zu gehen, lebe ich mehr in Frieden mit mir selbst – und mit anderen.

Ich habe Ulla nach unserem Treffen eine Postkarte mit diesem Zitat geschickt. Und eine hängt bei mir im Büro.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27316
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