SWR3 Gedanken

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Jakob ist auf dem Weg in den Kindergarten. Vor der Hofeinfahrt entdeckt er einen ganz kleinen toten Vogel. Noch ohne Fell, mit geschlossenen Augen. Das hat Jakob noch nie gesehen. Er will wissen, warum der Vogel tot ist. Seine Mutter vermutet, dass er aus dem Nest gefallen ist. Weil Jakob den Vogel nicht alleine lassen möchte, beschließt er kurzerhand ihn mitzunehmen. Die beiden legen ihn in ein großes Blatt und wickeln ihn vorsichtig darin ein.

Im Kindergarten hat sich schnell herumgesprochen, was Jakob mitgebracht hat. Neugierig und behutsam begutachten alle Kinder den kleinen toten Vogel. Jakob will ihn begraben.

Frau Suarez, die Erzieherin, gräbt ein Loch in die Erde. Die Kinder stehen im Halbkreis um das offene Grab. Dann erzählt Jakob, wie er den Vogel gefunden hat. Dass er schon tot war und dass er traurig ist, weil der Vogel noch nie die Augen aufgemacht hat. „Aber wenn der Vogel noch nie die Augen aufgemacht hat, hat er ja auch noch nie die Welt gesehen,“ stellt ein Kind fest. „Wird er dann auch im Himmel nicht sehen können?“ Die Kinder denken scharf nach. „Doch!“ meint dann ein anderes Kind. „Wenn ich sterbe, dann mache ich ja auch die Augen zu. Aber ich glaube schon, dass ich dann im Himmel wieder sehen kann.“ Für die Kinder ist klar, dass der Vogel dann auch im Himmel sehen kann. Ein echter Trost. Frau Suarez legt das Tier ins Grab. Dann nimmt jedes Kind eine Hand voll Erde und sie begraben den Vogel.

Jakobs Mutter war so froh, dass es im Kindergarten möglich gewesen ist, den Tod des kleinen Vogels mit den Kindern zu thematisieren. Frau Suarez hat sofort bemerkt, dass das jetzt wichtig ist.

Tod muss für Kinder kein Tabuthema sein. Kinder können trauern. Und sie tun es. Aber natürlich anders als wir Erwachsenen. Viel offener, ehrlicher, viel direkter. Es liegt an uns, es ihnen zuzutrauen und sie darin zu unterstützen – so wie Frau Suarez.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27315
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