SWR2 Wort zum Tag

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Einfach so, aus Liebe

Eine Frau läuft mit einem Eimer Wasser in der einen und einer brennenden Fackel in der anderen Hand durch die Straßen. Ein Mann sieht sie und fragt: „Was soll das?“ Sie antwortet: „Ich will Feuer ans Paradies legen und Wasser in die Hölle gießen, damit diese beiden Schleier verschwinden. Es soll deutlich werden, wer Gott aus Liebe und nicht aus Furcht vor der Hölle oder aus Hoffnung auf das Paradies anbetet.“

Die Frau heißt Rabi‘a al-Adawiyya. Sie ist eine freigelassene Sklavin, und hat im 8. Jahrhundert in der Stadt Basra im Süden des Irak gelebt. Sie ist zu einer bedeutenden Mystikerin des frühen Islams geworden.

Rabi’a lehnt es ab, dass Menschen nur glauben, weil ihnen Angst vor der Hölle gemacht wird. Für ebenso wertlos hält sie es an Gott nur zu glauben, weil man sich davon einen Vorteil im Jenseits erhofft. Sie hat erfahren, dass Gott sie liebt und dass die einzig wahre Antwort sein kann, ihn auch zu lieben. Sie möchte die Menschen wachrütteln und ihnen genau das sagen.

Ich sehe das so wie Rabi’a. Angst und Eigennutz stehen für mich im Gegensatz zur Liebe. Liebe hat zwei Seiten. Lieben und geliebt werden. Es fällt mir schwer an die Liebe Gottes zu glauben, wenn er möchte, dass ich in ständiger Angst lebe. Dass ich mir bei allem, was ich tue, überlege, ob ich er mich dafür bestraft oder belohnt.

Andererseits, wenn ich auf mich schaue: Ich liebe ihn auch nicht wirklich, wenn ich bei allem, was ich für ihn tue, immer überlege, welchen Vorteil es mir bringt. Sicherlich ist meine Liebe zu einem Menschen auch nie vollkommen selbstlos. Natürlich erwarte ich auch, dass ich dafür etwas zurückbekomme. Aber ich hoffe, es ist nicht mein eigentlicher und einziger Antrieb.

Ich bin Vater von zwei Kindern. Ich liebe sie und sie lieben mich. Trotzdem gibt es immer wieder Situationen, in denen ich ihnen Strafe androhe: „Wenn du dein Spielzeug jetzt nicht endlich aufräumst, dann ist es halt erstmal weg.“ Oder ihnen eine Belohnung verspreche: „Wenn ihr jetzt miteinander spielt anstatt zu streiten, dann gehen wir nachher Eis essen.“

Aber eigentlich ich will nicht, dass sie das, was sie tun, nur aus Angst vor Strafe machen oder weil sie etwas dafür bekommen. Schöner wäre es, es ging einfach so. Und dann würden sie natürlich trotzdem ein Eis bekommen. Einfach so, aus Liebe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27299
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