SWR2 Wort zum Tag

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Musik und Religion. Das hängt oft zusammen. In der Klassik, beim Pop oder Rock werden Musiker oft davon inspiriert, was sie glauben.

Einen ganz anderen Zusammenhang zwischen Musik und Religion hat der Soziologe Max Weber benannt. Er verwendet den Ausdruck des „religiös unmusikalischen Menschen“. Ein „religiös unmusikalischer Mensch“ ist für Weber jemand, der keinen Zugang zu religiöser Erfahrung hat. So war es auch bei ihm. Weber hat sich viel mit der Religion beschäftigt, aber rein theoretisch.

Wenn es religiös unmusikalische Menschen gibt: was macht einen religiös musikalischen Menschen aus? Ich finde es spannend, den Zugang zu Religion mit dem zur Musik zu vergleichen. Wie musikalisch ein Mensch ist, entscheidet er nicht selbst. Um musikalisch zu sein, braucht es eine gewisse Begabung - der eine hat sie mehr, der andere weniger. So scheint es auch mit Religion zu sein.

Es gibt Menschen, die in diesem Bereich Dinge erfahren, die anderen unzugänglich bleiben. Immer wieder begegne ich Menschen, die mir erzählen, wie viel Kraft sie aus dem Gebet schöpfen. Wie sehr sie gerade auch in schwierigen Situationen spüren, dass Gott bei ihnen ist und ihnen wirklich hilft. Die meisten von ihnen haben in ihrer Kindheit in irgendeiner Form so etwas wie „musikalische Früherziehung“ in Sachen Religion genossen. Eltern oder Großeltern haben sie mit religiösen Praktiken und Ritualen vertraut gemacht. Meine Mutter hat abends immer mit uns Kindern gebetet. Wenn wir das Haus verlassen haben, hat sie uns ein Kreuzzeichen auf die Stirn gemacht und „Behüt‘ dich Gott“ gesagt. Später war ich dann Ministrant. Nach und nach ist Religion so für mich zu einer wichtigen Grundmelodie meines Lebens geworden.

Aber manchmal verschwindet diese Melodie. Ich höre sie nicht mehr und zweifle, ob es sie wirklich gibt. Dann helfen mir Menschen, die ich als musikalischen Genies in Sachen Religion bezeichnen würde. Ich denke da z.B. an den Heiligen Franziskus oder Madeleine Delbrêl. Sie haben Erfahrungen gemacht, die ihr Leben vollkommen auf den Kopf gestellt haben. Wenn sie von der Begegnung mit Gott sprechen, dann klingt das intensiv und unmittelbar – fast körperlich spürbar.

Wenn ich ihre Worte lese, dann inspirieren sie mich und machen mir Mut. Es ist so ähnlich, wie wenn ich fantastischen Musikern zuhöre, die richtig gut Musik machen, die begeistert und berührt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27298
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