SWR3 Gedanken

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Direkt am Atlantik machen wir Halt in einem malerischen Hafenort im äußersten Westen Frankreichs. Da steht eine Kirche, die komplett aus Holz ist. Über 500 Jahre alt. Zimmerleute  haben damals das Kirchenschiff wie einen Schiffsrumpf entworfen. 

In der Mitte der Kirche brennen zahlreiche Kerzen- direkt vor einer Figur von Maria mit dem Jesuskind. Seit Jahrhunderten kommen Menschen aus aller Welt in diese Hafenkirche, um zu beten und um Kerzen anzuzünden.  Für Menschen, an die sie denken, denen es nicht so gut geht. Und heute mache ich das auch, und so laufe ich in Richtung der Statue.

Zwei junge Frauen waren allerding schneller als ich.  Sie bieten mir ein seltsames Schauspiel: Während die eine sich vor den Kerzen noch mal mit Lippgloss schön macht und ihre langen, brünetten Haare richtet, wählt die andere eine gute Einstellung für ein Seitenprofil auf ihrem Smartphone. Mit frommem Augenaufschlag und akkurat gefalteten Händen vor dem Gesicht beginnt schließlich das Blitzlichtgewitter. Und das Touristen-Modell vor der Madonna ist wählerisch: Es braucht zig Durchgänge, bis sie mit ihrem Bild zufrieden ist. 

Ich stehe daneben – und würde den beiden gerne sagen, was mir der Ort bedeutet. Für mich ist die Madonna mit dem Kind kein Ort, an dem ich posen muss, an dem ich irgendjemand gefallen muss. Im Gegenteil: Es ist ein Ort, an dem alle Fassaden fallen dürfen. An dem ich mein Herz ausschütten darf. Und darauf hoffe, dass das was mich beschäftigt, vor Gott in dieser Kerze sichtbar wird. 

Vor Gott muss ich keine fromme Maske aufsetzen. Ich darf genau so kommen, wie ich bin.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27265
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