SWR3 Gedanken

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„ Leere Kirchen. Ist das was Neues? Leere Kirchen kennen wir doch! Aber unsre wird so richtig leer. Nicht nur die Menschen werden fehlen, sondern auch die Bänke“. So wirbt die Kirche St. Matthias in Neuwied am Rhein für ihr neues Projekt. Was  bleibt? 19.000 Kubikmeter leerer Raum. 
Warum machen die das? Damit sich in dem leeren Raum Kunst und Kirche begegnen. Tänzerinnen, Maler und Musiker sind dabei – und Poetry-Slamer, also junge Erwachsene, die eigene poetische Texte geschrieben haben. Kirche mal ganz anders, mit  Beatboxer neben dem Beichtstuhl und Gedichten unter neogotischen Gewölben.   
Felicitas Friedrich ist so eine Poetry Slammerin. Sie trägt keinen schwarzen Talar mit weißem Kragen. Sie trägt ein schwarz-weißes Partykleid. Und sie feiert jedes Wort ihres Textes frei nach der Band Dota:

“Hey du. Ich weiß, du glaubst,

dass du so viel nicht kannst,

dass du so viel nicht weißt.[…]

und wie 'ne kaputte Schallplatte wiederholst du, dass du nicht genügst.

Denen, die deine Stärke nicht sehen,[…]

Doch ich nehm' dich in den Arm. Beim Kuscheln gibt es kein Wertungssystem.

Ich will deine Fesseln

zersprengen und den, dessen

Urteil dich so lähmte, zur Rede stellen

Ich will, dass sich Hoffnungsschimmer zu deinen Plänen gesellen

und dass sich Selbstbewusstsein pflanzt in deine Nervenzellen.

Also komm schon – wir streichen sämtliche Punktzahlen und Ranglisten aus deinem Kopf. […]

All die Stichproben sollst du vergessen.

Ich trag' dich im Herzen.

So oder so. Du musst dich nicht messen.“*

Hinter Felicitas wirft die Septembersonne warme Strahlen durch das Kirchenfenster und lässt die Silhouette des Kreuzes in den Raum ragen.  Die Poesie von Felicitas ist für mich an diesem Abend eine Predigt: ich muss vor dem Kreuz, vor Gott keine Leistung bringen. Und ich muss mich vor ihm nicht messen. Fühlt sich wunderbar an. Danke, Felicitas. Du Glückliche. Hast mich mit deinen Worten erreicht und den leeren Raum um mich herum und in mir  mit einer beglückenden  Botschaft gefüllt.

*Felicitas Friedrich: „Ich trag dich im Herzen. So oder so. Du musst dich nicht messen.“, frei nachder Song der Band  DOTA  „Du musst dich nicht messen.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27262
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